DerStandard veröffentlicht Kommentar von Evelyn Regner (SPÖ), Josef Weidenholzer (SPÖ) und  Sabine Verheyen (CSU): Wirkt die neue Brüsseler Konzessionsrichtlinie als Schleuse für eine Privatisierung der Wasserversorgung? Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss“ – so lautet der erste Erwägungsgrund aus der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2000. Nun will die Europäische Kommission die Konzessionsrichtlinie einführen, und es drängt sich der Verdacht auf, als würde man diesen Grundsatz nicht mehr ganz so eng interpretieren. Wie so oft empfiehlt es sich auch bei dieser Richtlinie, zwischen den Zeilen zu lesen und jene Passagen genauer unter die Lupe zu nehmen, die Interpre tationsspielraum zulassen. Denn durch die europaweite Ausschreibung öffent licher Leistungen der Daseinsvorsorge werden Türen geöffnet, die man später schwer wieder schließen kann.
Faktum ist: Bisher war europaweit nur die Vergabe von Baukonzessionen geregelt, die Leis tungen der öffentlichen Daseinsvorsorge unterlagen dagegen keiner europaweiten Ausschreibungsverpflichtung. Nun ist die Kommission angetreten, den angeblichen „Flickenteppich“ durch erhebliche Einschränkungen der lokalen Handlungsspielräume zu bereinigen und schert alles über einen Kamm, auch die Wasser ver- und Abwasserentsorgung. Die Kommission argumentiert dabei fadenscheinig, dass Klein- und mittelständischen Unternehmen der Zugang zur öffentlichen Auftragsvergabe erleichtert werden soll. Obwohl Michel Barnier natürlich klar ist – auch wenn er dies in seinem Kommentar (Standard, 14. 12.) hinter schönen Worten verschleiert -, dass kleine lokale Unternehmen niemals dem Konkurrenzdruck von Großunternehmen standhalten können.
Das Beispiel Frankreich zeigt eindrucksvoll, welche negativen Auswirkungen die Privatisierung der Wasserversorgung haben kann: In Frankreich, das bereits seit mehr als 100 Jahren ein Konzessionssystem hat, teilen sich den Wassermarkt drei große Unternehmen – führend dabei der Großkonzern Veolia, kleinere Anteile entfallen auf Suez und Saur – sie beliefern rund 70 Prozent der Franzosen. Da die Konzerne auf Gewinnmaximierung ausgerichtet waren, wurden die Leitungen nicht ausreichend gewartet, was dazu führte, dass jeder vierte Liter Trinkwasser aufgrund von Lecks versickerte. Ebenso hatten die überhöhten Preise zu Protesten aus der Bevölkerung geführt, eine Studie aus dem Jahr 2006 belegte, dass jene, die das Wasser von privatwirtschaftlichen Betreibern beziehen, rund 16 Prozent mehr an Gebühren zahlen, als wenn sie Wasser von öffentlich-rechtlichen Betreibern erhalten würden. Nun erfolgt die Rekommunalisierung, selbst Paris hat sich entschieden, die Konzessionen nicht mehr zu verlängern. Den Schaden haben nun die Steuerzahler, die die Kosten für die Instandsetzung der Wasserversorgung zu tragen haben.
Auch die so oft angeführte Transparenz, die mit der Konzessionsrichtlinie erreicht werden soll, rechtfertigt nicht den Vorschlag der Kommission. Bereits heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum, sondern europäische Regeln sehen vor, dass Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz erfolgen müssen. Man müsste also nur bestehendes Recht ordnungsgemäß anwenden, um Günstlingswirtschaft zu verhindern.
Was bezweckt also die Kommission mit der Konzessionsrichtlinie? Verbesserungen für den Bürger können es nicht sein, denn bereits jetzt ist die Wasserversorgung in einem Gutteil der EU-Staaten zufriedenstellend geregelt, vielerorts leisten Städte und Gemeinden hervorragende Arbeit was Qualität und Kosteneffizienz betrifft. Letztendlich läuft es doch auf eine Liberalisierung des Wassermarktes durch die Hintertür hinaus, auch wenn dies stets bestritten wird. Große europäische Konzerne haben ein wirtschaftliches Interesse am milliardenschweren EU-Wassermarkt und drängen auf eine Marktöffnung. Griechenland und Portugal geraten bereits jetzt durch die Empfehlungen der Troika, an der auch die EU-Kom mission beteiligt ist, zunehmend unter Druck, ihre Wasserwerke zu verkaufen.
Kommt die neue Richtlinie, dann werden angesichts leerer Kassen auch andere gezwungen sein, den Weg der Privatisierung einzuschlagen. Es kann aber nicht darum gehen, Privatisierung als Allheilmittel zu betrachten. Ziel muss vielmehr sein, die Wasserver- und Wasserentsorgung wirtschaftlich und in gewünschter Qualität zu gestalten und sie vom Anwendungsbereich der Richt linie auszunehmen. Wasser ist ein öffentliches Gut, ein Lebensmittel, und es gehört uns allen! (Evelyn Regner, Josef Weidenholzer, Sabine Verheyen, DER STANDARD, 27.12.2012)
EU-Abgeordnete Evelyn Regner (SPÖ), stv. Vorsitzende im Rechtsausschuss des EU-Parlaments.
EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer (SPÖ), Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz.
EU-Abgeordnete Sabine Verheyen,  kommunalpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament