Die Abgeordneten im Binnenmarktausschuss haben am 24. Jänner 2013 den Bericht zum Kommissionsvorschlag zur Konzessionsvergabe angenommen. Mit 28 Pro-Stimmen zehn Gegenstimmen und zwei Enthaltungen wurde eine abgeänderte Textfassung zur der im Dezember letzten Jahres von der Kommission vorgelegten Konzessionsrichtlinie beschlossen.

Um was geht es bei der Konzessionsrichtlinie?

Die Konzessionsrichtlinie ist Teil einer umfassenden Reform des Öffentlichen Auftragswesens auf europäischer Ebene. Die öffentliche Auftragsvergabe wird durch eine Novellierung zweier bestehender Richtlinien reformiert, während die Richtlinie zur Konzessionsvergabe auf europäischer Ebene einen ganz neuen Bereich regelt.
Hier geht es um die Schaffung einheitlicher Regelungen für das Instrument der Konzessionsvergabe, welches bei öffentlichen Auftraggebern zunehmend beliebt ist. Konzessionen haben insbesondere im Energiebereich (Stromkonzessionen), im Bereich der Abwasserprivatisierung, der Vermarktung von Werbeflächen im öffentlichen Raum und im Baubereich (bspw. Vergabe einer Baukonzessionen bei einem Stadionbau und -betrieb) eine hohe Bedeutung. Konzessionen unterscheiden sich von öffentlichen Aufträgen im Wesentlichen dadurch, dass der Konzessionär von dem öffentlichen Auftraggeber keine feste Vergütung erhält, sondern das Recht zur wirtschaftlichen Nutzung des ihm eingeräumten Rechts oder das Nutzungsrecht zuzüglich eines Entgelts.
Bisher war europaweit lediglich die Vergabe von Baukonzessionen geregelt. Für die Vergabe von Dienstleistungkonzessionen gab es keine genauen gesetzlichen Vorgaben – hier mussten aber nach der Rechtsprechung des EuGH bisher schon die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gleichbehandlung und der Transparenz beachtet werden. Die Konzessionsrichtlinie sieht nun vor, dass Konzessionsvergaben auch im Dienstleistungsbereich ab einem Auftragswert von acht Millionen Euro europaweit ausgeschrieben werden sollen.

Welche Verbesserungen konnten erreicht werden?

Der Binnenmarkt-Ausschuss konnte durch seine Abänderungen einige Verbesserungen bei der Richtlinie erreichen. Änderungen an der Originalfassung nahm der parlamentarische Ausschuss beispielsweise beim Anwendungsbereich vor. Explizit ausgenommen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie sind Konzessionen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, öffentliche Personenverkehrsdienste oder bestimmte Leistungen für Rundfunk- und Fernsehanstalten. Auch Rettungsnotdienste (darunter fallen allerdings keine normalen PatientInnentransporte) werden explizit von der Ausschreibungspflicht ausgenommen. Zudem konnte der Schwellenwert, ab welcher Auftragshöhe eine Ausschreibung erfolgen muss von fünf auch acht Millionen Euro erhöht werden.
Darüber hinaus wurden die Prinzipien der „free administration“, also die Wahlfreiheit für öffentliche Stellen, sowie „freedom to define SGEI“, also die Definitionsmacht für öffentliche Stellen über Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse in der Richtlinie festgeschrieben. Auch beim sogenannten „subcontracting“, also einer Untervergabe an andere Unternehmen konnten einige Verbesserungen erreicht werden. Alle entsprechenden Verträge müssen offen gelegt werden. Von den einzelnen Mitgliedsstaaten muss darauf geachtet werden, dass auch von allen Subunternehmen die rechtlichen Bestimmungen im jeweiligen Land eingehalten werden. Zudem besteht die Möglichkeit ein „system of liability“ bereitzustellen. Somit könnte ein Großteil des Haftungsrisikos von der öffentlichen Stelle auf den Auftragsnehmer übertragen werden. Ein weiterer Änderungsantrag des Parlaments legt fest, dass die Richtlinie nur für Konzessionen gilt, die nach in Kraft treten der Richtlinie vergeben werden. Sie gilt aber bereits für bestehende Konzessionen,  sofern Änderungen an den Verträgen vorgenommen werden.

Welche Verbesserungen konnten nicht erreicht werden?

Für soziale Dienstleistungen ist im Entwurf ein vereinfachtes Verfahren (Vergabebekanntmachung) vorgesehen, langfristig könnte es also auch für soziale Dienstleistungen zu einer Ausschreibungspflicht kommen. Alle Abänderungsanträge, die eine klare Ausnahme des Wassersektors forderten, fanden keine Mehrheit. Bei Inkrafttreten der Richtlinie in der vom Binnenmarkt beschlossenen Fassung würde der sensible Bereich der  Wasserwirtschaft ausschreibungspflichtig werden. Die Konzessionsvergaben werden zudem nicht verbindlich an soziale, arbeitsrechtliche oder ökologische Zuschlagskriterien gebunden. Auch der Ausschluss von BewerberInnen, die grobe Verstöße gegen sozial-, umwelt- und arbeitsrechtliche Bestimmungen aufweisen kann lediglich auf freiwilliger Basis passieren.

Wo liegt das Problem?

Die Bereiche der Daseinsvorsorge (Wasser, Abfall, Energie, Gesundheitswesen etc.) werden oft an öffentliche Unternehmen vergeben. Die Vergaben an öffentlich kontrollierte Unternehmen, als auch andere Formen der öffentlich-öffentlichen Kooperation würden durch die Richtlinie massiv erschwert werden. Als Konsequenz einer Konzessionsrichtlinie müssten Gemeinden und Städte europaweit ausschreiben. Von einer Wahlfreiheit für Kommunen kann hier keine Rede sein. Der komplizierte Richtlinienentwurf führt zu mehr Rechtsunsicherheit, Verwaltungsaufwand und Beratungskosten für öffentliche Stellen und verschafft privaten Großkonzernen einen Zugang zu grundlegenden Leistungen der DAseinsvorsorge.

Wie werden Vergaben an öffentliche Unternehmen und öffentliche Kooperationen erschwert?

Dienstleistungkonzessionen werden im Bereich der Daseinsvorsorge (Wasser, Abfall, Energie, Gesundheitswesen etc.) häufig an öffentliche Unternehmen oder Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung („verbundene Unternehmen“) vergeben. Der Grund dafür ist einfach: Die Wasserversorgung ist eine Leistung der Daseinsvorsorge und sollte daher auch in öffentlicher Hand sein.
Entscheiden sich Gemeinden dafür, Leistungen der Daseinsvorsorge über verbundene Unternehmen zu erbringen, findet die Konzessionsrichtlinie eben doch Anwendung. Eine Ausnahme bei der Vergabe an verbundene Unternehmen (siehe Art. 11 der Richtlinie) ist nur dann möglich, wenn mindestens 80% des Umsatzes eben jenes Unternehmens aus der Erbringung von Dienstleistungen für die Gemeinde stammen. Dies ist für die meisten Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind aber nicht möglich, da es sich meist um sogenannte Mehrspartenunternehmen (z.B.: deutsche Stadtwerke, Linz AG) handelt. Diese erbringen beispielsweise Leistungen im Bereich des Wassers, der Abfallbeseitigung, des öffentlichen Verkehrs, sowie der Energieversorgung. Bei der Berechnung wie viel Prozent des Umsatzes für die Gemeinde erbracht wird (erforderlich sind 80%), wird aber nicht nur der Umsatz im Wasserbereich herangezogen, sondern der Gesamtumsatz. Also auch der Umsatz, der im liberalisierten Energiesektor erwirtschaftet wird. Diese Mehrspartenunternehmen fallen in der Praxis also klar in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Jene Gemeinden, die ihre Wasserversorgung auf öffentliche Unternehmen ausgelagert haben, müssten die Konzessionen nach in Kraft treten ausschreiben. Von Wahlfreiheit für Kommunen kann hier keine Rede sein. Ganz ähnlich verhält sich die Problematik auch bei den Ausnahmen für öffentlich-öffentliche Kooperationen (sieh Art. 15 der Richtlinie).
Im Binnenmarktausschuss konnte für Mehrspartenunternehmen im Wassersektor eine Übergangsfrist bis 2020 ausverhandelt werden, damit diese ihre internen Strukturen entsprechend verändern können. Auch wenn die Übergangsfrist im Zuge der Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat beibehalten wird, besteht für betroffene Gemeinden immer noch die Gefahr die komplexen Bestimmungen nicht einhalten zu können. In strittigen Fällen könnte es zu Gerichtsverhandlungen kommen. Die Komplexität der Ausnahmeregelungen für Vergaben an verbundene Unternehmen und das damit verbundene finanzielle Risiko bei etwaigen Klagen würde den Privatisierungsdruck auf betroffene Gemeinden massiv erhöhen.

Wie geht es weiter?

Der im Binnenmarkt beschlossene Bericht zur Konzessionsrichtlinie wird zur Zeit in einem informellen Trilog zwischen Parlament, Kommission und dem Rat verhandelt. Die endgültigen Verhandlungsergebnisse und somit jene Fassung, die dann zur Abstimmung gebracht wird, werden für Juni/Juli erwartet. Die Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments soll voraussichtlich im Oktober statt finden. Dort könnte die Richtlinie als Gesamtes noch abgelehnt werden.

Was kann man tun?

Es gibt schon mehrere Initiativen, die sich gegen die Richtlinie wenden. Die Größte davon ist www.right2water.eu. Kontaktiere auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die voraussichtlich im Oktober 2013 über die Richtlinie abstimmen werden. Eine Liste aller Abgeordneten findet sich auf der Seite des Europäischen Parlaments. Es geht nun, um viel Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Wenn du die Updates erhalten möchtest, Mail an [email protected].
Links zur Richtlinie:
Verlauf der Richtlinie und Gesammelte Abänderungsanträge
Kommissionsvorlage zur Konzessionsvergabe (Dezember 2011)
Angenommene EP-Entschließung von 18. Mai 2010 zu „Neue Entwicklungen im öffentlichen Auftragswesen„.
IMCO stimmt ab  und „Es liegt nun am Plenum“ auf www.weidenholzer.eu/rl15
Entwicklungen bei der Konzessionsrichtlinie, Artikel von 20.Jänner 2013
Presseberichte in Österreich rund um die Konzessionsrichtlinie
„Privatisierung der Wasserversorgung“ Artikel von Heribert Prantl in der SZ (27.Jänner 2013)
Artikel auf Euractiv zum Thema (29.Jänner 2013)