Jährlich endet für zehntausende Menschen die gefährliche Flucht aus der Heimat im Mittelmeer. Sie werden von Militärschiffen der Mitgliedsstaaten, koordiniert von der EU-Grenzschutzagentur (Frontex) angehalten und in vielen Fällen wieder zurück geschickt. Die Seetüchtigkeit der Boote oder der Zustand der Passagiere spielte bisher eine eher untergeordnete Rolle. Mit der neuen Verordnung, soll sich das nun ändern und die Suche und Rettung von Flüchtlingsbooten verbessert und verstärkt werden.

Welche Verbesserungen konnten erreicht werden?

Das Abstimmungsergebnis des Ausschusses, also die Vorgabe für die Verhandlungen mit dem Rat, ist äußerst vielversprechend. Von den 33 Abänderungsanträgen (hier geht’s zu den gesammelten Abänderungsanträgen), die Josef Weidenholzer eingebracht hat, wurde nur einer abgelehnt. Der Rest ist entweder in die Kompromissvorschläge des Berichterstatters eingegangen oder wurde zusätzlich zu diesen angenommen. So konnte Josef Weidenholzer zahlreiche zusätzliche Schutzmaßnahmen zugunsten der Flüchtlinge durchsetzten; darunter folgende:
– Boote dürfen, anders als beim Kommissionsvorschlag, auf hoher See nicht abgedrängt werden.
– Spezieller Schutz vor Zurückweisung, wenn in einem Drittstaat kein individuelles und faires Asylverfahren möglich ist, einer Person in einem Drittstaat aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, sexuellen Orientierung oder Mitgliedschaft zu einer bestimmten sozialen oder politischen Gruppe Gefahr droht oder die Person aus medizinischen oder anderen Gründen Schutzbedürftig ist.
– Die Agentur muss detaillierte Berichte über die Einhaltung der Grundrechte vorlegen, die auch die „Einsprüche“ der Flüchtlinge und die darauf erfolgten Maßnahmen enthalten müssen.
– Die Einsatzkräfte der Mitgliedsstaaten oder der Agentur müssen sich auch dann an den Vorgaben des Unions- und Völkerrechts orientieren, wenn die Einsätze in Hoheitsgewässern von Drittstaaten stattfinden und diese andere Normen vorsehen würden.
– Die Suche und Rettung von Flüchtlingen ist ein wesentlicher Bestandteil. Die Definition der Grenzüberwachung wird nicht mehr auf das Abfangen von Flüchtlingen beschränkt, sondern mit Suche und Rettung erweitert, wodurch die Aufgabe Menschenleben zu retten in den Mittelpunkt rückt.
– Die Einsatzkräfte sollen einen Zugang zu ÄrztInnen, ÜbersetzerInnen und andere ExpertInnen haben.
– Jede Einheit muss zumindest eine Person mit medizinischer Ausbildung enthalten.
– Alle Einsatzkräfte sollen Schulungen zu Grundrechten, Kinderrechten, Völkerrecht und anderen wichtigen Gesetzen erhalten.

Hintergrund der Verordnung

Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex) ist unter anderem für die Koordination der Einsätze im Mittelmeerraum zuständig. Um möglichst einheitliche Regeln für diese Einsätze zu schaffen, hat der Rat 2010 einen Beschluss 2010/252/EU verabschiedet, der jedoch bereits im September 2012, auf Klage vom Parlament, vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben wurde. Der EUGH verfügte jedoch, dass der Ratsbeschluss so lange in Kraft bleibt, bis eine geeignete Regelung gefunden wird. Der Beschluss ist oftmals in Kritik geraten, da er es ermöglichte Boote mit Flüchtlingen an Bord einfach abzudrängen. Ein Bruch mit dieser Praxis erfolgte erstmals im Februar 2012, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sein wegweisendes Urteil im Fall Hirsi Jamaa und andere aussprach.

Grundsatz der Nichtzurückweisung

Der Grundsatz der Nichtzurückweisung ist ein völkerrechtliches Gebot, das laut Genfer Flüchtlingskonvention die Zurückweisung von Personen untersagt, wenn ihr Leben oder ihre Freiheit wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung bedroht sein würde. Als Chefverhandler der S&D Fraktion hat Josef Weidenholzer in der neuen Verordnung eine umfassendere Definition des Grundsatzes durchgesetzt, die die Definitionen der Europäischen Charta der Grundrechte und die Auslegung des EGMR in seinem Urteil (Hirsi s.u.) berücksichtigt.

Wie geht es weiter?

Der Berichterstatter Carlos Coehlo (Portugal, EVP) hat das Mandat erhalten um, basierend auf der beschlossenen Parlamentsposition, mit dem Rat zu verhandeln. Können sich EU-Parlament, Rat und Kommission in erster Lesung einigen, dann wird die Verordnung aller Voraussicht nach im April 2014 beschlossen. Gibt es keine Einigung, hat die Kommission einen neuen Vorschlag zu präsentieren, der in zweiter Lesung behandelt wird.
Weitere Informationen:
Link zur Verordnung auf der Seite des EP: http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2013/0106%28COD%29&l=en