Die EU-Kommission will, dass sich Städte und Gemeinden künftig dem europaweiten Wettbewerb stellen. In Deutschland und in Österreich regt sich gegen die Umsetzung der Richtlinie Widerstand.
Wien/Höll. Im Dezember wird im Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments darüber abgestimmt, ob die Städte und Gemeinden mehr Wettbewerb zulassen sollen.
Geht es nach dem Plan des aus Frankreich stammenden EU-Binnenmarktkommissars Michel Barnier, sollen die Kommunen ihre Konzessionen für Dienstleistungen wie Energie, Abfall, Gesundheitsdienste, Wasser und die Erhaltung der Straßen EU-weit ausschreiben.
Entscheidet sich beispielsweise eine Stadt für die Liberalisierung der Wasserversorgung, muss das Bieterverfahren im Europäischen Amtsblatt ausgeschrieben werden. Jedes Unternehmen aus dem In- und Ausland kann sich bewerben. Den Zuschlag erhält dann der Bestbieter, egal, ob die Firma aus Österreich oder aus der Slowakei stammt. Durch den Konkurrenzkampf könnten sich die Kosten für die öffentliche Hand reduzieren. EU-Kommissar Barnier fordert einen funktionierenden Binnenmarkt, in dem die nationalen Grenzen zunehmend aufgehoben werden: „Wir wollen, dass sich alle Firmen, vor allem kleine und mittlere, in anderen EU-Staaten um Konzessionen bewerben können.“
Als Vorbild dient Barnier seine Heimat Frankreich, wo die öffentliche Hand mehr als 10.000 Konzessionen vergibt. Dieses Modell soll auf ganz Europa übertragen werden. Barnier erhofft sich dadurch einen Wachstumsschub. 2012 müsse die Eurozone mit einem Nullwachstum rechnen. „Brauchen wir deshalb nicht einen funktionierenden Binnenmarkt, in dem unsere Unternehmen Chancen haben, die zehnmal größer sind als auf ihrem nationalen Markt?“
Doch in Deutschland und in Österreich regt sich dagegen Widerstand. „Die Umsetzung der Richtlinie würde einen tiefen Einschnitt in die Organisationsfreiheit der Städte und Gemeinden bedeuten“, sagte Hans-Joachim Reck vom deutschen „Verband Kommunaler Unternehmen“ (VKU) am Montag der Zeitung „Welt“. Die Kommunen könnten nicht mehr selbst entscheiden, „wie die Wasserver- und die Abwasserentsorgung in ihrem Gebiet organisiert werden“.

Keine Wasserprivatisierung

In Österreich erhitzt vor allem die Wasserversorgung die Gemüter. Mitte September beschloss der Kärntner Landtag mit Hinblick auf die EU-Pläne, dass die heimischen Wasserreserven „nicht privatisiert werden und anschließend in die Hände von großen Konzernen fallen“ dürfen.
Dies sorgt beim Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), für Kopfschütteln. Denn die EU habe nie eine Zwangsprivatisierung von österreichischen Wasserressourcen geplant. Beim Gesetzesvorschlag gehe es vielmehr darum, dass europaweite Mindeststandards für die öffentliche Konzessionsvergabe festgelegt werden. Ziel sei es, hier Transparenz, Fairness und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Denn derzeit seien die Verfahren von Land zu Land unterschiedlich.

Kein Ausschreibungszwang

Künftig werde es für österreichische Firmen einfacher, auch in anderen Staaten an öffentliche Aufträge zu kommen. „Ob ein Land bestimmte Dienstleistungen privatisiert und wenn ja, an wen es diese konzessioniert, wird weiter von Bund, Ländern und Gemeinden entschieden, nicht aber von der Europäischen Union“, versichert der ÖVP-Politiker. Die EU könne und wolle daher gar nicht österreichisches Wasser privatisieren.
Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Josef Weidenholzer befürchtet dennoch, dass es durch den vorgelegten Kommissionsvorschlag zu einer Liberalisierung über die Hintertüre kommen wird. Laut Weidenholzer müsse daher klargestellt werden, dass die Konzessionen für Dienstleistungen, die für die Daseinsvorsorge wichtig seien, wie eben die Wasserversorgung, vom EU-Regelwerk ausgenommen werden.
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