Während des EU Wahlkampfes war viel vom Freihandel die Rede. Das ist gut so. Auf diese Weise wurde klargemacht, dass es nicht egal ist, unter welchen Rahmenbedingungen Güter und Dienstleistungen gehandelt werden. Selten hat in der letzten Zeit ein politisches Thema so viele Menschen in Bann gezogen. Wahrscheinlich auch deswegen, weil berechtigte Ängste im Spiel sind. Sogar Frau Merkel, eine glühende Verfechterin des Freihandelsabkommens mit den USA, die dessen Chancen normalerweise in den buntesten Farben darzustellen versucht, musste darauf Bezug nehmen. „Mit mir wird es kein Chlorhuhn geben“, tönte sie – als ob das das einzige Problem im Zusammenhang mit TTIP wäre. Das Problem ist viel grundsätzlicher.
In der Tat würde ein Freihandelsabkommen, wie es zur Zeit in Diskussion steht, die Geschäftsgrundlage der westlichen Gesellschaften grundlegend verändern. Erklärtes Ziel der Initiatoren ist ja der vollständige Abbau außertariflicher Handelshemmnisse. In letzter Konsequenz stellen daher alle sozial- oder umweltpolitischen Regelungen, denen Güter oder Dienstleistungen auf Grund nationalstaatlicher Gesetzgebung unterliegen, ein potentielles Hindernis dar. Vereinfacht zusammengefasst, besteht die Essenz des Freihandels darin, die Spielräume der Politik, vor allem jene der Parlamente, auf ein Minimum zu reduzieren. Selten wird das so ausgesprochen. Da wird von Zukunftschancen schwadroniert und neue Arbeitsplätze werden im Übermaß versprochen.
Dieser Tage ist mir aber ein erstaunlicher und enthüllender Artikel in die Hände gekommen. Im Wirtschaftsteil des bürgerlichen Leitmediums Deutschlands, der FAZ. Das ist kein unwesentliches Medium. Und auch der Autor ist keine unwesentliche Figur. Handelt es sich dabei doch um den Leiter der Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Rainer Hank. Ein bekennender Neoliberaler, dem die Frau Merkel oft zu wenig tough agiert und der den Sozialstaat primär als Kostentreiber sieht. Sein Kommentar „Demokratie ist überbewertet“ vom 8. Juni 2014 hat es in sich. Er bringt unverblümt auf den Punkt, warum bestimmte Entscheidungsträger auf beiden Seiten des Atlantiks so großes Interesse haben, dieses Projekt zu finalisieren: „Freihandel soll verhindern, dass Demokratien die Allgemeinheit schädigenden Blödsinn beschließen.“
Deshalb hat er auch kein Problem mit den Investorschutzklauseln: „Tatsächlich wertet der „Investitionsschutz“ damit den Rechtsstaat als höheres Gut im Vergleich zur Demokratie, die stets in Gefahr ist, zufällige Mehrheiten protektionistisch zu bedienen.” Geht’s noch, ist man versucht, zu fragen. Rechtsstaat als höheres Gut? Wie kann man diesen überhaupt in Vergleich zur Demokratie setzen. Bedingt sich das eigentlich nicht wechselseitig? Offensichtlich nicht in dieser verqueren neoliberalen Logik. Hier soll sich Demokratie vielmehr selbst beschränken und den Märkten ausliefern, an diese binden. Dann würde alles gleichsam automatisch gehen: „Demokratische Selbstbindung an den Freihandel setzt .. darauf, dass – im Vergleich zur demokratisch gepamperten Klientelwirtschaft- am Ende alle Menschen sich besser stellen werden und ihre Freiheit gleichermaßen entfalten können.“
Ich möchte das nicht, nicht nur, weil so etwas gegen unser demokratisches Grundverständnis verstößt, sondern, weil es vor allem falsch ist und sich das versprochene Paradies nicht einstellen wird. Als demokratisch gewählter Volksvertreter werde ich in den nächsten fünf Jahren alles daran setzen, zu verhindern, was diese neoliberalen Apologeten fordern. Nicht die Demokratie muss sich dem Freihandel unterordnen. Umgekehrt muss es sein. Und wir brauchen auch keine marktkonforme Demokratie, sondern demokratisch kontrollierte Märkte.