Europäisches Parlament und Rat konnten sich nun auf einen finalen Text bei der Konzessionsrichtlinie einigen.  Am 05. September stimmte der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz den Verhandlungsergebnissen zu. Nun muss das „Vergabepaket“ (Bestehend aus der Konzessionsrichtlinie, der Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe, sowie der Sektorenrichtlinie) noch vom Plenum des Europäischen Parlaments – vermutlich noch in diesem Jahr – bestätigt werden. Für die Umsetzung der Richtlinien in den Mitgliedstaaten sind drei Jahre veranschlagt. Die Richtlinien treten dann zwei Jahre nach Umsetzung voll in Kraft.
Das Europäische Parlament, allen voran die sozialdemokratische Fraktion, konnte am Kommissionsvorschlag entscheidende Verbesserungen erreichen.  Die Frage, ob sich durch die Konzessionsrichtlinie in der Praxis nicht mehr Probleme ergeben, als sie löst steht immer noch im Raum. Die größten Gefahren konnten aber abgewendet werden. Zu den wichtigsten Erfolgen zählt die Ausnahme der sensiblen Wasserdienstleitungen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie.
Hier ein Überblick der bedeutsamsten Verhandlungsergebnisse.

Ausnahme der Wasserdienstleistungen

Gerade wegen der geplanten Ausschreibungspflicht bei der Trinkwasserversorgung geriet die Konzessionsrichtlinie unter massive Kritik. Widerstand gab es von Teilen der Politik, der Gewerkschaft und der Zivilgesellschaft. Vor allem durch die erste erfolgreiche BürgerInneninitative auf europäischer Ebene – „right2water – Wasser ist ein Menschenrecht“ – konnte beim konservativen Binnenmarktkommissar Michel Barnier ein Umdenken erreicht werden:
Dienstleistungs- und Baukonzessionen im Wasserbereich, sowie damit verbundene Leistungen im Abwasserbereich werden nun explizit aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen (Artikel 9a). Allerdings wurde eine Revisionsklausel (Erwägungsgrund 43) vereinbart. Die Ausnahmen werden drei Jahre nach in Kraft treten der Richtlinie neuerlich überprüft.
In Österreich war die Konzessionsrichtlinie überhaupt Anlass die Wasserversorgung in den Verfassungsrang zu heben. Demnach soll die Wasserversorgung als ein grundlegender Teil der Daseinsvorsorge verpflichtend vom Staat erbracht werden oder der Staat stellt bei einer Leistung durch Dritte entsprechende Qualität und Kontrollmöglichkeiten sicher. .

Grundsatz der Selbstverwaltung und Gestaltungsfreiheit

Beim Anwendungsbereich der Richtlinie wurde der Grundsatz der Selbstverwaltung von Behörden (Artikel 1a) explizit festgeschrieben. Die Richtlinie soll das Prinzip der Selbstverwaltung von nationalen, regionalen und lokalen Behörden anerkennen. Die Behörden sollen frei entscheiden können wie sie die Ausübung von Dienstleistungen organisieren, um vor allem ein hohes Niveau an Qualität, Sicherheit, Leistbarkeit, Gleichbehandlung und Zugänglichkeit für öffentliche Dienstleistungen gewähren zu können. Zudem wird im Kompromisstext die Gestaltungs- und Definitionsfreiheit von Dienstleistungen von allgemeinen Interesse (Artikel 1c) festgeschrieben. Die Richtlinie soll in keiner Art und Weise die Organisation der sozialen Sicherheitssysteme auf nationaler Ebene beeinflussen.
Diese zwei Artikel wurden zusätzlich auf Vorschlag des parlamentarischen Binnenmarktausschusses in den Text aufgenommen. Vor allem bei der Umsetzung der europäischen Richtlinie in nationales Recht werden sie von Bedeutung sein, da sie eine für den öffentlichen Sektor freundliche Auslegung ermöglichen.

Öffentliche Kooperationen, Vergabe an verbundene Unternehmen und interkommunale Zusammenarbeit

Die Richtlinie sieht grundsätzlich Ausnahmen von einer Ausschreibungspflicht vor, wenn es um Verträge zwischen öffentlichen Stellen oder Vergaben an öffentliche /verbundene  Unternehmen (Artikel 11 bzw. Artikel 15 der Richtlinie) geht.
Durch die komplizierten Ausnahmebestimmungen wird eine Erschwerung von möglichen Kooperationen auf kommunaler Ebene befürchtet. Im Kompromisstext wurden die entsprechenden Artikel etwas verschlankt und teilweise gestrichen. Die Ausschreibungspflicht kann demnach umgangen werden, wenn gewisse Kriterien erfüllt werden (z.B.: umfassende Kontrollmöglichkeiten von öffentlicher Seite, beteiligte Auftraggeber erbringen weniger als 20% der Tätigkeit am Markt, gemeinsame Zielsetzung im öffentlichen Interesse).
Sogenannte Inhouse-Vergaben sind nunmehr auch möglich, wenn eine private Minderheitsbeteiligung vorliegt, solange der Private keine Entscheidungen blockieren oder kontrollieren kann und die private Beteiligung durch nationales Recht vorgeschrieben ist.

 Soziale Dienstleistungen

Für soziale und andere spezielle Dienstleistungen ist in der Richtlinie (Artikel 17) ein vereinfachtes Vergabeverfahren vorgesehen. Vor einer Vergabe muss lediglich eine Ankündigung und nach der Vergabe eine Vergabebekanntmachung veröffentlicht werden.  Alle Dienstleistungen für welche diese vereinfachten Bestimmungen gelten werden im Anhang X aufgeführt und wurden im Zuge der Verhandlungen noch ergänzt. Beispielsweise fallen darunter Leistungen im Gesundheits- und Sozialbereich, im Bereich der Bildung, Kultur, Post und der sozialen Sicherheit, als auch Leistungen, die von Gewerkschaften, politischen Organisationen oder anderen Vertretungskörpern erbracht werden.
Für die Rettungsnotdienste wurde im Zuge der Verhandlungen eine Bereichsausnahme geschaffen (Erwägungsgrund 13b). Sie fallen somit gar nicht unter die Richtlinie. Normale Krankentransporte werden unter das vereinfachte Vergabeverfahren fallen.

Schwellenwert

Der „Schwellenwert“ – also jener Auftragswert, ab welchem eine Konzession auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden muss, wird wie auf Vorschlag der Kommission fünf Millionen Euro betragen. Der Änderungsantrag des Binnenmarktausschusses den Schwellenwert auf acht Millionen Euro zu erhöhen und den Anwendungsbereich somit einzuschränken, konnte aufgrund einer internationalen Vereinbarung im Rahmen der WTO nicht durchgesetzt werden.  Allerdings wurde in der Richtlinie der Auftrag an die Kommission festgeschrieben (Erwägungsgrund 43), sich in zukünftigen Verhandlungen für höhere Schwellenwerte einzusetzen.

 Hintergrund

Ende 2011 legte Binnenmarktkommissar Michel Barnier (EPP) Vorschläge zur Überarbeitung der Öffentlichen Auftragsvergabe vor (Richtlinie über die Öffentliche Auftragsvergabe, Sektorenrichtlinie und Richtlinie über die Konzessionsvergabe). Mit der sogenannten Konzessionsrichtlinie sollen Rechtsvorschriften für die Vergabeverfahren von Dienstleistungskonzessionen geschaffen werden (bisher war europaweit lediglich die Vergabe von Baukonzessionen geregelt). Unter Kritik geriet die Richtlinie, weil eine Öffnung von öffentlichen Dienstleistungen der Daseinsvorsorge für den privaten Markt befürchtet wird. Schon im Jahr 2006 scheiterte die Europäische Kommission mit der Dienstleistungsrichtlinie in diesem Bereich. Sowohl der österreichische Nationalrat als auch das Europäische Parlament bezweifelten die Notwendigkeit einer Regelung der Dienstleistungkonzessionen auf europäischer Ebene.

Weitere Informationen und Links

Presseaussendung Weidenholzer/Jahn: „Großer Erfolg bei Wasserversorgung – EU-Kommission rudert zurück“
Sieben Fragen und Antworten zur Konzessionsrichtlinie
EUpdate Konzessionsrichtlinie
Verlauf der Richtlinie: Legislative Beobachtungsseite des Europäischen Parlaments mit allen zugehörigen Dokumenten
Verhandlungsergebnisse im Detail (Englisch)