Wie wesentliche Errungenschaften Europas kurzfristigen Interessen geopfert werden
Die Reisefreiheit, eine der großen Errungenschaften Europas soll wieder eingeschränkt werden, so tönte es dieses Wochenende aus den Medien. Anlass ist ein gemeinsamer Brief, den die Innenminister Frankreichs und Deutschlands, Claude Guéant und Hans Peter Friedrich an die Europäische Kommission geschrieben haben. Kein Zufall, dass der Brief genau jetzt kommt. Diesen Sonntag wird in Frankreich gewählt und die Chancen für Sarkozy stehen nicht gut. Da hilft der CSU Minister gerne einmal seinem Parteifreund, noch dazu, wo in seinem Heimatbundesland – in Bayern – 2013 auch Wahlen bevorstehen.
Sarkozy hatte im Vorjahr, als seine Umfragewerte besonders schlecht waren, schon einmal vorübergehende Grenzkontrollen zu Italien eingeführt. Auch die damalige konservative Regierung Dänemarks griff im Juli 2011 zum gleichen Mittel, um sich die parlamentarische Zustimmung einer rechtspopulistischen Partei, auf deren Duldung sie angewiesen war, zu sichern. Die Kommission spielte mit und erarbeitete einen Vorschlag, der grob gesagt, die Eigenmächtigkeiten der beiden Länder legalisieren sollte. Während die Kommission aber zumindest die Feststellung einer besonderen Situation, die eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen bis maximal 30 Tage erlaubt,  auf europäischer Ebene vornehmen will, beharren Frankreich und Deutschland, eine Aussetzung des Schengen Abkommens auf nationalstaatlicher Ebene zu entscheiden. Der Brief wird bei der Sitzung des Rates der Innenminister in der nächsten Woche Gegenstand der Beratungen sein.
Die Reisefreiheit ist eine der wesentlichen Errungenschaften Europas, ebenso wie die Gemeinsame Währung, der Euro. Beides wird laufend kurzfristigen Interessen geopfert. So wie etwa zu Beginn der Griechenland Krise. Da verzögerte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel monatelang eine Lösung, exakt bis zum Tag der Landtagswahl in NRW und verschärfte auf diese Weise das Ausmaß der Euro Krise in geradezu fahrlässigem Ausmaß. Solche Politik, wie sie besonders durch „Merkozy“ losgetreten wurde, bringt weder den von den Populisten gewünschten Erfolg, noch schafft sie die zu lösenden Probleme aus der Welt. Heribert Prantl sagte daher folgerichtig in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung: „Die temporären Grenzschließungsprogrammen sind eine Dauerwerbung für Europafeinde.“ Dennoch setzt sich immer mehr dieses Praxis einer symbolischen Politik durch, die Handlungsbereitschaft suggeriert und aus Popularitätshascherei auf eine wirkliche Lösung der Probleme verzichtet. Seit Jahren sind die europäischen Innenminister unfähig, sich auf eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge zu einigen, seit Jahren verabsäumt es Europa, die Probleme der Roma an der Wurzel zu packen. Europa versagt in der Nachbarschaftspolitik und zieht sich aus der Entwicklungszusammenarbeit zurück. Diese elementaren Fragen sind freilich schon lange nicht mehr nationalstaatlich zu lösen, auch nicht wenn die zwei größten Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich das aus wahltaktischen Überlegungen glauben mögen.