Seit vielen Jahren ist der Iran isoliert. Die politischen Vorgänge in diesem Land stoßen in der westlichen Welt auf Unverständnis und Ablehnung. „Schurkenstaat“ nannten ihn die USA. Noch kein Jahr ist es her, dass ein Bombenangriff unmittelbar bevorstand, der zu nicht mehr beherrschbaren Folgen für die Welt geführt hätte. Wirtschaftliche Sanktionen der USA und der EU trieben das Land in die Isolation.
Vor einem halben Jahr wurde Hassan Rouhani unerwartet zum Präsidenten gewählt. Seither ist vieles anders. Ich war gemeinsam mit vier Kolleginnen aus dem Europarlament fünf Tage im Iran. Ein offizieller Besuch beim iranischen Parlament, dem Majilis. Normalerweise finden solche Kontakte im jährlichen Rhythmus statt. Sieben Jahre hat es gedauert bis wieder so etwas wie Normalität eingekehrt ist.
Diese fünf Tage waren äußerst intensiv und interessant. Vor allem aber haben sie mich aufgewühlt. Es kündigen sich große Veränderungen an, die nicht nur für den Iran großer Bedeutung sein könnten. Vor allem könnte sie den Grundstein für eine neue Sicherheitsstruktur im seit dreißig Jahren politisch instabilen Mittleren Osten legen. Diese Überlegungen hörten wir in unseren Gesprächen immer wieder. Wir trafen mit den wichtigsten Vertretern des Landes zusammen, dem Parlamentspräsidenten, dem Chef der Präsidentschaftskanzlei, dem Außenminister oder dem Vorsitzenden des Wächterrates, Ayatollah Rafsanji. Wir hatten die Gelegenheit zu Gesprächen mit Abgeordneten unterschiedlicher Gruppierungen, mit Vertretern des Justizapparats und der Medien.
Es war nicht zu übersehen, dass in der iranischen Staatsführung gegenwärtig ein dramatisches Ringen um den Kurs des Landes stattfindet. Hardliner gegen Reformer. Der Ausgang ist offen. Auch lässt sich schwer vorhersagen, wieweit die Reformbereitschaft wirklich geht. Die Gespräche wurden in einer offenen Atmosphäre geführt. Mitunter sehr hart, wenn es etwa um Menschenrechte ging. Den Iranern ist es sehr wichtig, auf Augenhöhe zu verhandeln. Sie wollen nicht belehrt sondern mit Respekt behandelt werden. Wenn man sich daran hält dann lässt sich sehr pragmatisch über vieles reden. Gerade in Menschenrechtsfragen. Die Verletzung von Grund-und Menschenrechten ist eklatant und systematisch. Politische Aktivisten müssen mit hohen Haftstrafen rechnen. Ich traf mich mit Gewerkschaftern, deren „Verbrechen“ darin bestand, eine 1.Maidemonstration veranstaltet zu haben. Das reichte aus, um zu einem mehrjährigen Gefängnisaufenthalt verdonnert zu werden.
Offiziell gibt es keine politischen Gefangenen. Für eine Verurteilung werden andere Rechtfertigungen herangezogen, Verschwörung gegen die Staatssicherheit, Aufwiegelung, etc. Wie im Fall der Menschenrechtsanwältin Nasrin Soutodeh, einer körperlich kleinen, aber geistig großen Frau, einer Riesin, was ihren Mut betrifft. Sie und den ebenfalls verfolgten Filmemacher Jafar Panahi zu treffen war der Höhepunkt unserer Reise. Nasrin erzählte uns, wie wichtig es für sie war, zu erfahren, dass das Europäische Parlament ihr und Jafar den Sacharow Preis verliehen hatte. Sie befand sich gerade im Hungerstreik und war schon sehr schwach. Die Nachricht gab ihr Auftrieb und Kraft. Eine der ersten Amtshandlungen des im Sommer neugewählten Präsidenten Rouhani war ihre Freilassung.
Unser Treffen war nicht im Programm vorgesehen und fand gleich am ersten Tag in der griechischen Botschaft statt. Den Hardlinern war dies ein Dorn im Auge. Der Außenminister wurde ins Parlament zitiert und der griechische Botschafter ins Ministerium vorgeladen. Ermunternd war die Reaktion der Menschen auf der Straße. Sie sprachen uns auf das Treffen an, bedankten sich und beglückwünschten uns. Die Menschen im Iran wollen einen Wandel. Sie brauchen unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung. Kontakt zu halten und die Gesprächsbasis zu erweitern ist die wichtigste Waffe gegen jene Kräfte im Inneren und im Ausland, die alles daransetzen, dass alles beim Alten bleibt. Diese Kräfte profitieren davon, dass Unruhe herrscht und die Menschen unterdrückt bleiben. Es ist höchste Zeit, dass sich im Iran und in unserem Verhältnis zum Iran etwas ändert. Wir können alle davon nur profitieren.

Treffen mit Sacharow PreisträgerInnen Nasrin Soutodeh und Jafar Panahi.

Treffen mit Sacharow PreisträgerInnen Nasrin Soutodeh und Jafar Panahi.


Redaktion Shargh

Treffen und Interview in der Redaktion von SHARGH (der größten reformistischen Zeitung im Iran)