Gestern fand der Landesparteitag der oberösterreichischen SPÖ statt. Die Oberösterreichischen Nachrichten haben mich um einen Kommentar gebeten.

Die oberösterreichische SPÖ hat schon bessere Zeiten erlebt. Einmal – 1967 –, als sie bei den Landtagswahlen stimmenstärkste Partei war, hätte sie fast den Landeshauptmann gestellt.

Auch wenn man sich das heute schwer vorstellen kann, damit wäre nur ein Normalzustand hergestellt gewesen. Die Industrieregion Oberösterreich ist strukturell kein konservatives Bundesland. Die Sozialdemokratie hat das Land entscheidend geprägt. Jahrzehntelang dominierte sie bei bundespolitischen Wahlen. Ihr Einfluss in den Statutarstädten und Ballungsräumen schlägt sich in einem hohen Niveau an Lebensqualität nieder. Sie ist ein wichtiger Faktor des sozialen Ausgleichs, ohne den es keinen nachhaltigen Wohlstand gibt.

Auch die Attraktivität des Standorts lässt eine sozialdemokratische Handschrift erkennen. Gegen die Skepsis und den Widerstand der Konservativen wurde mit großem finanziellen Aufwand die Sanierung der Verstaatlichten erreicht, die Gründung der Standort- und Innovationsagentur des Landes durchgesetzt oder die Sanierung des Standorts Steyr möglich gemacht. Und fortschrittliche Kräfte waren ganz maßgeblich daran beteiligt, dass aus einem Industriestandort ein europaweit beachteter kultureller Hotspot wurde.

Obwohl sie niemals den Landeshauptmann stellte, hat Oberösterreichs SPÖ dem Bundesland ihren Stempel aufgedrückt. Oberösterreich kann im europäischen Vergleich durchaus bestehen. Ich bin glücklich, dass ich hier leben darf. Ich möchte, dass wir unsere Einzigartigkeit nicht verlieren, aber ich fürchte, dass das passieren kann. Weil es zunehmend schick geworden ist, alles Politische schlechtzureden, Rücksichtnahme und Toleranz zu belächeln und Fremd- und Anderssein herunterzumachen. Ich möchte nicht, dass unser Bundesland zum „Rust Belt“ wird und das gleiche Schicksal erfährt wie so viele andere europäische Industrieregionen, in denen sich die Menschen aufgegeben fühlen. Deshalb braucht es die Sozialdemokratie – aber eine andere und neue. In ganz Europa.

Oberösterreich ist dabei besonders wichtig, weil es der Trendsetter für Österreich ist. Wer hier gewinnt, gewinnt in ganz Österreich. Und Österreich ist bekanntlich die kleine Welt, in der die große ihre Probe hält. Um die Sozialdemokratie in meinem Heimatbundesland steht es leider nicht gut. Sie leidet unter chronischer Underperformance. Das ist nicht den Parteimitgliedern, die verglichen mit anderen Bundesländern überaus engagiert und politisiert sind, anzulasten. Eher liegt es an strukturellen Voraussetzungen.

Es ist schier unmöglich, die unterschiedlichen Interessen in ein Gleichgewicht zu bringen. Fast alle Parteivorsitzenden sind an dieser Herausforderung gescheitert. Aufwärts wird es aber nur gehen, wenn Geschlossenheit einkehrt. Diese lässt sich nicht erzwingen. Man muss dazu bereit sein. Sie braucht den Mut, auf die Mitglieder zu hören, sich auf Diskussionen, auch auf kontroverse, einzulassen. Nur so entstehen Identifikation und Motivation.

Das gilt besonders für eine Partei, deren Kapital nicht unbedingt großzügige Wahlspenden, sondern die eigenen Mitglieder sind. Eine Partei, die weiß, was sie will, weil sie auf ihre Basis hört, ist auch in der Lage, Themen vorzugeben und die politische Debatte zu bestimmen. Politisch zu führen, heißt, in der Mitte dieses Prozesses zu stehen. Wenn man in Opposition ist, dann muss man die Konturen schärfen. Jetzt geht es um Zuspitzung und nicht um Inszenierung. Es geht um die Substanz, die wirklichen Probleme und nicht um ideologische Spitzfindigkeiten. Der Sozialstaat ist in Gefahr. Bewahren lässt er sich nur, wenn man ihn reformiert. Aber den Sozialstaat zu zerstören – und vieles deutet darauf hin, dass das gegenwärtig passiert –, würde uns weit zurückwerfen. Also back to basics. Die Sozialdemokratie war stark, weil sie in den Gemeinden, Betrieben und Milieus verankert war. Deshalb braucht es eine radikale Veränderung der Organisationsstruktur. Vor allem muss sie wieder lernen, die Sprache der einfachen Leute zu sprechen, und dem Versuch widerstehen, sie belehren zu wollen.

Respekt und Demut, darum geht es. Und es braucht neue Bündnisse. Oberösterreich ist eine bunte, eine widersprüchliche Region, wo sich die Menschen nicht alles gefallen lassen. Viele sind unzufrieden, fühlen sich von einer omnipräsenten Landespolitik bevormundet, weil diese keine wirklichen Antworten auf die sie verängstigenden Probleme hat. Will Oberösterreichs SPÖ wieder zur gestaltenden Kraft werden, dann muss sie sich öffnen. So wie in den 1970er Jahren.