Vieles macht Indien unverwechselbar. Etwas ganz besonderes ist der Straßenverkehr. Wer das einmal erlebt hat, wird es nicht vergessen. Ein kreatives Chaos, das sich gründlich von der vergleichsweise kontrollierten Raserei hierzulande unterscheidet.
Mühsam quält sich ein Wurm unterschiedlichster VerkehrsteilnehmerInnen dahin, Autos (und was für welche!), Motorräder, jede Menge Schwerverkehr, Fahrräder, Rikschas, Ochsengespanne und Kühe auf der Suche nach Nahrung. Die dabei entstehende Abgaswolke unterdrückt den strengen Geruch, der über vielen Städten des Landes hängt.
Einzigartig ist der Lärm, der von diesem Gewusel ausgeht. Laute Motoren, Zurufe, Musik und ein unentwegtes Gehupe. Die Hupe ist das wichtigste Instrument und wird in den verschiedensten Situationen angewendet: Um auf sich aufmerksam zu machen, beim Überholen, beim Abbiegen…
Ich liebe es, abends vom Hotelzimmer aus diesem kakophonischen Klangteppich des Verkehrslärms zuzuhören. Dieses Mal glaube ich eine Veränderung herauszuhören. Das Hupen ist seltener geworden. Leider kann ich es nicht messen.
Mir kommt Pier Paolo Pasolinis Beispiel vom Verschwinden der Glühwürmchen in den Sinn. In der agrarischen Gesellschaft waren sie eine alltägliche Erscheinung, jede/r kannte sie und die wenigsten bemerkten ihr Aussterben. Als sie nicht mehr zu sehen waren, da war auch die Agrargesellschaft verschwunden.
Die „Normalisierung“ des Straßenverkehrs ist eines von vielen untrügerischen Zeichen für die großen Veränderungen, die sich gegenwärtig in Indien ankündigen.