Auf das österreichische Außenministerium ist Verlass. Seit Freitagnachmittag findet sich auf der Homepage neben den üblichen Hinweisen, nicht in das Grenzgebiet zum Sudan und zu Libyen zu reisen, Einkaufszentren, Moscheen und koptische Kirchen zu meiden und in den küstennahen Gewässern vor Sharm el Sheikh auf aggressive Haie zu achten, auch eine generelle Reisewarnung. Es wird auf das nächtliche Ausgehverbot hingewiesen. Wir erfahren darüber hinaus, dass dies für die Touristenorte Sharm el Sheikh und Hurghada nicht gilt. Für viele Landsleute scheint sich damit ein Drama anzubahnen. Was ist, wenn das nächtliche Ausgehverbot auch auf diese Region ausgedehnt wird? Den langersehnten Badeurlaub am Roten Meer absagen? Noch dazu jetzt, wo die Semesterferien vor der Tür stehen? Und überhaupt.
Für viele kamen die Entwicklungen überraschend. Ägypten, das sind die Pyramiden, Nilkreuzfahrten, kostengünstige Badeurlaube am Roten Meer und für besonders Wagemutige prickelnde Begegnungen mit einem Hai. Manche wissen auch, dass das Gros der immer freundlichen Kronenzeitungsverkäufer aus diesem Land stammt. Besonders empathische Landsleute sorgen sich um die mit Verfolgung und Unterdrückung konfrontierten koptischen Christen. Die politisch Informierten wissen das Land als ein Bollwerk gegen den immer stärker werdenden Islamismus in dieser Region zu schätzen. Und überhaupt wollen„wir“ nicht wirklich was mit denen zu tun haben.
80 Millionen Menschen, die alle an unsere Futtertröge wollen. Aber, keine Angst! Im abgelaufenen Jahrzehnt wurden lediglich um die 5000 davon in Österreich eingebürgert. Die Abschottung gegenüber Ägypten funktioniert. Auch im Kopf. Niemand hierzulande schien daran interessiert zu sein, dass am Nil schon seit einigen Jahren viele Menschen begonnen haben über eine demokratische Zukunft nachzudenken, in der Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einen wichtigen Platz einnehmen sollen. Das Interesse der europäischen Politik daran hielt sich in Grenzen.
Zwar hat die Europäische Union im Rahmen des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (ENPI) politische und soziale Reformen eingemahnt und in den letzten fünf Jahren € 30 Millionen, gerade einmal 7% der gesamten Mittel des Programms, für die Förderung einer „verantwortungsvollen Staatsführung“ zur Verfügung gestellt. Dabei wird explizit auf das Ziel der Stärkung der Zivilgesellschaft verwiesen und ganz auf die Sprache der Diplomatie fixiert, verlogen gefordert, „die ägyptischen Anstrengungen zur Förderung der Versammlungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit und zur Verteidigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Unabhängigkeit der Medien“ zu unterstützen.
So ist es leider, wenn Europa gefordert ist. Man erkennt das Problem, setzt Maßnahmen, halbherzig und unbestimmt, und wird von den Entwicklungen überrascht. Mit elementarer Gewalt verschafft sich dann die Geschichte Platz und schafft Fakten.
Uns bleibt der Trost: Wir hätten es ja gewusst und beinahe wäre es uns auch gelungen, dabei zu sein, wenn Geschichte geschrieben wird. Beinahe eben. Oder wie es der Volksmund sagt: „Wenn das Wörtchen wenn nicht wär….“