Utl.: Jährlich eine Million mehr armutsgefährdete Menschen in Europa – Sozialdemokratische Fraktion hat Initiative für Sozialunion eingebracht
Wien (OTS/SK) – SPÖ-EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer hat am Montag im Rahmen der Präsentation der Studie „Armut in der Europäischen Union“ der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGGP) betont, dass die soziale Säule stärker in der Politik der Europäischen Union berücksichtigt werden müsse. Die Studie ist die erste, die einen Überblick über die Armutsgefährdung in Europa bietet. 80 Millionen Menschen in Europa sind armutsgefährdet, diese Zahl steigt jährlich um eine Million Menschen. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Andreas Höferl, ÖGGP-Generalsekretär, und der Studienautorin Susanne Halmer betonte Weidenholzer, dass diese Daten zeigen, dass Armut nicht nur in Griechenland und anderen Krisenländern, sondern in ganz Europa ansteige. Die Situation in ganz Europa werde „immer gravierender“. Der Abgeordnete fordert nun, den in den vergangenen Monaten immer wieder diskutierten Unionsbegriffen wie der Fiskal- oder der Bankenunion den Begriff der Sozialunion hinzuzufügen, um diesen Entwicklungen zu begegnen. Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament hat bei der EU-Kommission eine Initiative eingebracht, in der sie eine solche Sozialunion fordert. ****
Die stärksten Zunahmen an armutsgefährdeten Menschen werden in Irland und Spanien, also in von der Finanzkrise besonders stark betroffenen Ländern, verzeichnet. Auffällig ist, dass im „reichen Westeuropa“ die meisten armutsgefährdeten Menschen leben (36 Millionen), gefolgt vom Süden, Osten und Norden (drei Millionen). Der Anstieg Armutsgefährdeter findet fast nur in den EU-15 (vor der Erweiterung 2004) statt, in den neueren Mitgliedstaaten ist die Zahl konstant. In Österreich sind eine Million Menschen armutsgefährdet. Bis 2020 soll die Zahl Armutsgefährdeter in Europa um 20 Millionen verringert werden, in Österreich wären das 250.000 Armutsgefährdete. Besonders betroffene Bevölkerungsgruppen sind Arbeitslose, Teilzeitbeschäftigte, Alleinerziehende, Familien mit vielen Kindern, ältere Menschen, Zuwanderer und Menschen mit geringem Bildungsgrad.
Der EU-Abgeordnete betont, dass im Rahmen des Reformprozesses Europas auch eine soziale Säule eingezogen werden soll, „da Wachstum, das Ungleichheiten vergrößert und nur von Krediten abhängig ist, kein richtiges Wachstum ist“. Wachstum müsse auch soziale Faktoren inkludieren. Weidenholzer gab zu bedenken, dass Länder, die viel für Soziales ausgeben, am wettbewerbsfähigsten seien, siehe Nordeuropa. Wo die soziale Lage hingegen nicht im Visier sei, stehe das Wachstum „auf tönernen Füßen“ und sei nicht nachhaltig. Die Jugendarbeitslosigkeit sei das größte Problem Europas, dass Österreich hier die niedrigste Quote verzeichnet, sei ein „Verdienst der österreichischen Politik“.
In der Initiative der sozialdemokratischen Fraktion sind zehn Punkte enthalten, darunter ein Sozialprotokoll, das das gegenwärtige Niveau der Sozial- und Arbeitsrechte festschreibt und die Mitgliedsländer verpflichtet, dieses nicht zu unterschreiten; eine europäische Jugendgarantie am Beispiel Österreichs; ein existenzsicherndes Arbeitsentgelt; bezahlbarer sozialer Wohnbau; die Stärkung der Rolle der Sozialpartner sowie eine aktive Beschäftigungspolitik. Für die Umsetzung dieser Forderungen brauche es das Zusammenspiel der Akteure, also der Regierungen, Sozialpartner und zivilgesellschaftliche Organisationen.
„Versäumen wir, diese sozialen Entwicklungen in den Griff zu bekommen, riskieren wir, dass es auch anderen Ländern wie Griechenland und Spanien ergeht. Daher müssen wir dem Diskurs um Unionsbegriffe auch den der Sozialunion hinzufügen“, bekräftigte der SPÖ-EU-Abgeordnete. Denn „nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger begreifen, dass sie von Europa auch etwas bekommen, Perspektiven auf Sicherheit und Wohlstand haben, wird das Projekt von längerer Dauer sein“.