Im Kommissionsvorschlag zur Datenschutzgrundverordnung finden sich in Artikel 6 die Kriterien für eine rechtmäßige Datenverarbeitung. Diese Kriterien beinhalten Bestimmungen für die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen, die im öffentlichen Interesse liegen, und Interessenabwägungen. Eine solche Interessenabwägung ist der Artikel 6.1f: Dort heißt es, dass eine Verarbeitung „zur Wahrung der berechtigten Interessen“ des Datenverarbeitenden rechtmäßig ist. Eingeschränkt wird diese Erlaubnis zur Verarbeitung durch eine Abwägung, die die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der von der Datenverarbeitung betroffenen Person miteinbezieht.
Wo liegt das Problem?
Der Begriff „berechtigtes Interesse“ lässt sich sehr weit auslegen, solange er nicht genauer erläutert wird. Da er Auslegungssache ist, müsste er im Streitfall vor Gericht genauer bestimmt werden. Der Datenschutz bleibt in diesem Fall aber erstmal auf der Strecke, weil die Verarbeitung ja bereits stattgefunden hat. Und der von der Datenschutzreform erwünschte Effekt der größeren Rechtssicherheit sowohl für Bürgerinnen und Bürger wie auch für Unternehmen und Behörden wäre offensichtlich nicht eingetreten.
Außerdem ist schwer vorherzusehen, wann ein „berechtigtes Interesse“ den Vorzug vor dem Grundrecht des Einzelnen erhalten wird. Immerhin basieren ganze Geschäftsmodelle aus dem Ausnutzen von Lücken im Datenschutzrecht. Wenn es dann zur Abwägung zwischen der Existenzgrundlage eines bewusst gegen die Interessen der Allgemeinheit arbeitenden Unternehmens und dem Datenschutz kommt, könnte eine Entscheidung auch zu Ungunsten der Rechte der Bürgerinnen und Bürger ausfallen. Ziel muss allerdings sein, von vornherein deutlich zu machen, dass der Datenschutz ernst genommen werden muss.
Das BSD 2000 ist bei der Vorgabe der Richtlinien klarer formuliert. Unter anderem wird dort in §6 festgelegt, dass eine Verwendung nach „Treu und Glauben“ erfolgen, also redlich und anständig, sein muss.
Was schlagen wir vor?
Der Entwurf der Kommission sieht sechs Bedingungen für eine Datenverarbeitung vor, von denen nur jeweils eine erfüllt sein muss. Da „legitimes Interesse“ als sechste dieser Bedingungen andere, sehr gute Regelungen des Verordnungsentwurfs komplett aushebelt, muss klar werden, was exakt mit dem Begriff gemeint ist. Denn in der Regel sollte eine Datenverarbeitung auf der Zustimmung der Person beruhen. Ausnahmen können einzig dort bestehen, wo wesentliche andere Rechte, wie etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Freiheit der Medien, betroffen wären. Beispielsweise ist das Anlegen eines Wikipedia-Artikels zu einer Person eine Datenverarbeitung von persönlichen Daten im Sinne der Datenschutzverordnung. An dieser Stelle ist es im allgemeinen Interesse, dass frei zugängliche, seriöse Informationen zu prominenten Personen zu einer Biografie zusammengefasst werden können. Damit „berechtigtes Interesse“ keine carte blanche wird, müssen diese Ausnahmen allerdings ausdrücklich genannt werden.