Offizielles Statement von Edward Snowden für das Europäische Parlament

Am 30. September 2013 fand der 4. Untersuchungsausschuss über den Überwachungsskandal der NSA statt. Bei diesem Meeting wurde von Jesselyn Radack ein offizielles Statement von Edward Snowden verlesen, bei dem er sich für die Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss des LIBE Ausschusses, eingerichtet durch das Europäische Parlament, ausspricht.

Hier das Statement in deutscher Übersetzung:
„Ich bedanke mich beim Europäischen Parlament und LIBE Ausschuss dafür, dass Sie der Herausforderung der Datenüberwachung stellen. Die Überwachung von ganzen Bevölkerungen, ist die größte Herausforderung für die Menschenrechte unserer Zeit. Der wirtschaftliche Erfolg von entwickelten Ländern hängt immer mehr von deren kreativen Output ab. Wenn wir diese Erfolge weiterführen wollen, müssen wir uns daran erinnern, dass Kreativität das Produkt von Neugier ist, das wiederum das Produkt von Datenschutz ist.“

Eine Geheimhaltungskultur hat unserer Gesellschaft die Möglichkeit verhindert, das Gleichgewicht zwischen dem Menschenrecht auf Privatsphäre und dem staatlichen Interesse in Aufklärung zu ermitteln.
Das sind keine Entscheidungen, die für die Menschen, sondern von den Menschen selbst, nach einer voll informierten und angstlosen Debatte, gemacht werden sollten. Jedoch ist eine öffentliche Debatte nur mit entsprechendem öffentlichen Wissen möglich. In meinem Land ist es so, dass jemand in meiner Position, der öffentliches Wissen an die Öffentlichkeit zurückgibt, vom Staat verfolgt und ins Exil getrieben wird.
Wenn wir in Zukunft solche Debatten genießen dürfen, können wir nicht von persönlicher Aufopferung angewiesen sein. Wir müssen bessere Kanäle für wissende Menschen schaffen um nicht nur vertrauenswürdigen Regierungsverantwortlichen dieses Wissen zu übermitteln, sondern auch unabhängigen Verantwortlichen außerhalb der Regierung.
Als ich mit meiner Arbeit begonnen habe, war die einzige Intention, jene Debatte in allen Regierungen der Welt möglich zu machen, die hier in dieser Institution stattfindet.
Heute sehen wir legislative Institutionen neue Komitees formen, die um eine Aufklärung rufen und neue Lösungen für moderne Probleme vorschlagen. Wir sehen ermutigte Gerichte, die nicht mehr davor ängstlich sind, auch kritische Fragen der nationalen Sicherheit zu überdenken. Wir sehen mutige BeamtInnen, die sich daran erinnern, dass, wenn die Öffentlichkeit daran gehindert wird, zu sehen wie sie regiert werden, das unausweichliche Ergebnis ist, dass sich die Öffentlichkeit nicht mehr selbst regiert. Und wir sehen, dass die Öffentlichkeit wieder einen gleich großen Platz am Tisch der Regierung einfordert.
Die Arbeit einer Generation verweilt hier bei Ihren Untersuchungssitzungen und Sie haben meine volle Dankbarkeit und Unterstützung.

Das englische Transkript stammt von firedoglake.com:

I thank the European Parliament and the LIBE Committee for taking up the challenge of mass surveillance. The surveillance of whole populations rather than individuals threatens to be the greatest human rights challenge of our time. The success of economies in developing nations relies increasingly on their creative output and if that success is to continue we must remember that creativity is the product of curiosity, which in turn is the product of privacy.
A culture of secrecy has denied our societies the opportunity to determine the appropriate balance between the human right of privacy and governmental interest in investigation.
These are not decisions that should be made for the people but only by the people after full informed and fearless debate. Yet public debate is not possible without public knowledge and in my country the cost for one in my position of returning public knowledge to public hands has been persecution and exile.
If we are to enjoy such debates in the future, we cannot rely on individual sacrifice. We must create better channels for people of conscience to inform not only trusted agents of the government but independent representatives outside of the government.
When I began my work, it was with the sole intention of making possible the debate we see occurring here in this body and in many other bodies around the world.
Today we see legislative bodies forming new committees, calling for investigations and proposing new solutions for modern problems. We see emboldened courts that are no longer afraid to consider critical questions of national security. We see brave executives remembering that if a public is prevented from knowing how they are being governed the necessary result is that they are no longer self-governing. And we see the public reclaiming an equal seat at the table of government.
The work of a generation is beginning here with your hearings and you have the full measure of my gratitude and support.

CREDITS: Bild aus dem Film PRISM von Laura Poitras/ Praxis Films

Überwachungsskandal und dessen Auswirkungen auf EU Bürgerinnen und Bürger

In fünf Sessions fand gestern die dritte Untersuchungssitzung zum Überwachungsskandal im Ausschuss für Bürgerliche Freiheit, Justiz und Inneres (LIBE) im Europäischen Parlament statt. Da die geladenen Gäste der ersten Session, darunter Cecilia Malmström – Kommissarin für Innenpolitik – mit Informationen sehr geizte, bestand zumindest die Hoffnung, dass bei den Sessions 2-5 noch Informationen ans Licht kommt. In der 2. Session waren Darius Žilys von der Ratspräsidentschaft sowie Paul Nemitz und Reinhard Priebe von der Europäischen Kommission vertreten, die auch die EU-US Arbeitsgruppe zum Datenschutz vertreten. Nach vielen spezifischen Fragen der anwesenden Abgeordneten, darunter auch eine Eigene, wartete man/frau aber vergeblich auf konkrete Antworten.

Mit der 3. Session kam dann ein wenig Schwung in die Sache. Jens-Henrik Jeppesen, Direktor für Europäische Angelegenheiten beim Zentrum für Demokratie und Technology (CDT), und Greg Nojeim, Direktor des Projektes „Freedom, Security & Technology, aus den USA sprachen über die gegensätzlichen Ansichten der Zivilgesellschaft beim Thema Überwachungsskandal. Dabei kam klar heraus, dass dem durch den Whistle-Blower Edward Snowden aufgekommenen Skandal in den Vereinten Nationen von Amerika keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wird und daher von den Bürgerinnen und Bürgern keinerlei Feedback einzuholen war. Auch wurde eine differenzierte Haltung zwischen der EU und USA über die Wichtigkeit des Themas festgestellt.
In der 4. Session wurde Dr. Reinhard Kreissl von Increasing Resilience in Surveillance Societies (IRISS) nach einer einführenden Präsentation über deren Forschung befragt. In den Studien wird die Effektivität von Überwachungstechnik zur Terror- und Verbrechensbekämpfung überprüft; mit dem Ergebniss, dass gestreute Massenüberwachung als äußerst uneffektiv angesehen werden kann.
Caspar Bowden, ein unabhängiger Forscher und Ex-Privatsphäre-Beauftragter bei Microsoft, präsentierte in der 5. Session seine Studie über den Einfluss von US-Überwachung auf Europäische Bürgerinnen und Bürger. In der Studie wird ein signifikanter Einfluss auf die Rechte Europäischer Bürgerinnen und Bürger statuiert, daher sollte die EU, nach Meinung von Caspar Bowden, mit größter Sorgfalt die zukünftigen Übereinkommen mit den USA evaluieren. Dabei stimmt er auch zu, dass es eine digitale Kluft zwischen EU und USA gibt. Die Arbeitsgruppe zum Datenschutz zwischen EU und USA hat übrigens noch NICHT den Bericht bekommen – die Zusammensetzung dieser Gruppe sei einfach zu intransparent.

CREDITS: Das Bild wurde aus dem Video „Überwachungsstaat – was ist das?“ vom Youtube-Nutzer „manniac“ übernommen worden.