Utl.: „Mit der Forderung eines EU-Geheimdienstes wird nicht das Problem gelöst, sondern der Überwachungsindustrie in die Hände gespielt“
In den letzten Wochen kam wieder Bewegung in die erstarrte Überwachungsdebatte. Beginnend mit Bekanntwerden der Überwachung von Angela Merkel kam auf, dass viele europäische Politiker auf dem Radar der NSA stehen. „Auch wenn die Überwachung größter Teile der Bevölkerung von vielen Politikern zuvor verharmlost wurde, wollen diese jetzt einen Schlussstrich ziehen und Stärke beweisen. So soll nach den Vorstellungen der EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft Viviane Reding ein europäischer Geheimdienst als Gegengewicht zur NSA aufgebaut werden“, kritisiert SPÖ EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer am Donnerstag gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Er hält ein „Wettrüsten der Geheimdienste“ für „die falsche Antwort“. ****
„Die NSA-Affäre darf nicht dazu führen, dass Länder jetzt ihre Spionagekapazitäten und Geheimdienste aufrüsten“, so Weidenholzer, Mitglied im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Das wäre der falsche Ansatz, denn „mit der Forderung eines EU-Geheimdienstes wird nicht das Problem gelöst, sondern der Überwachungsindustrie in die Hände gespielt“, macht Weidenholzer deutlich. „Wir benötigen nicht mehr Spionage und einen Ausbau von Überwachung, sondern Maßnahmen, die zur öffentlichen Kontrolle über geheimdienstliche Aktivitäten sowie mehr Sicherheit im Internet beitragen. Gerade strengere datenschutzrechtliche Bestimmungen, die die Privatsphäre der europäischen Bürgerinnen und Bürger schützen, wären ein Schritt in die richtige Richtung“, stellt Weidenholzer fest.
Europa reagiere in der NSA-Affäre zu lasch, kritisiert der EU-Abgeordnete. Es brauche wirkungsvolle und sofortige Maßnahmen gegenüber den USA, damit Europa ernst genommen werde. „Dass sich der Rat nicht einmal dazu durchringen konnte, das SWIFT Abkommen (Austausch von Bankdaten) einzufrieren, ist bedauerlich“, sagt Weidenholzer. Und weiter: „Europäische Grundrechte, wie der Schutz von Privatsphäre, werden den Beziehungen zu den USA und deren Dogma von ‚Nationaler Sicherheit‘ geopfert.“ Auch das derzeit in Verhandlung befindliche Handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sollte als Druckmittel verwendet werden, so Weidenholzer: „Eine Aussetzung dieser Verhandlungen bis auch ein Rahmenabkommen zum Datenschutz besteht wäre ein starkes Zeichen in Richtung der US-Amerikaner. Erst wenn die (Wirtschafts-)Spionage beendet wurde, kann wieder über ein Handelsabkommen gesprochen werden.“
Weidenholzer fordert ein EU-USA Rahmenabkommen zum Datenschutz, das auch die Möglichkeit von Sanktionen vorsieht. „Europa muss Kriterien aufstellen, an die sich die Amerikaner zu halten haben.“ Dazu gehöre, dass Unternehmen, die Daten von europäischen Bürgern verarbeiten, diese schützen müssen und nicht an US-Behörden weitergeben dürfen. „Mit der EU-Datenschutzreform haben wir hier einen ersten Schritt gesetzt. Das reicht aber nicht. Solange man nicht sicher sein kann, dass die Massenüberwachung der USA beendet ist, kann man auch nicht von einer Klärung der Affäre sprechen“, sagt der Europaparlamentarier.