Süddeutsche Zeitung, 19.03.14
EU muss auf ein Bürgerbegehren zur Grundversorgung reagieren
Brüssel – Wenn EU-Verwaltungskommissar Maroš Šef?ovi? an diesem Mittwoch in Brüssel eine Mitteilung zur Wasserversorgung vorlegt, sind die Reaktionen vorherzusehen: Enttäuschung bei denen, die diese Erklärung erzwungen haben. Knapp 1,7 Millionen Menschen hatten die europäische Bürgerinitiative „Right2Water“ unterschrieben, um ein „Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung“ in den Mitgliedsstaaten gesetzlich zu verankern. Doch schon am Dienstag war in Brüssel durchgesickert, dass es genau diese Verankerung nicht geben werde. „Die Kommission stand vor einer goldenen Chance. Doch sie wird sie offensichtlich verpatzen“, sagte Jan Willem Goudriaan, ein niederländischer Gewerkschafter und Vizepräsident der „Right2Water“-Aktion.
So weit, wie es die Initiative forderte, ist die Kommission tatsächlich nicht gegangen. Wie aus der Mitteilung hervorgeht, belässt es die Kommission dabei, die Mitgliedsstaaten dazu „einzuladen“, allen EU-Bürgern einen Zugang zu einer Minimal-Versorgung mit Wasser zu sichern. Sie nimmt auch Bezug auf eine Resolution der Vereinten Nationen, die „das Recht auf ein sicheres und sauberes Trinkwasser sowie auf sanitäre Grundversorgung“ als ein Gut bezeichnete, das „essenziell“ sei, „um das Leben und alle weiteren Menschenrechte zu genießen.“ Die Kommission wiederholt allerdings auch dem Standpunkt, den sie in der bis heute gültigen Wasser-Rahmenrichtlinie im Jahr 2000 formuliert hatte. Demnach ist Wasser zwar „kein kommerzielles Produkt wie jedes andere“. Aber – im Umkehrschluss – eben doch auch ein kommerzielles Produkt.
„Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Kommission von ebendieser Interpretation klar distanziert“, sagte der österreichische Europaabgeordnete Josef Weidenholzer (SPÖ). Denn aus dem Gedanken, dass Wasser eben keine Ware sei, leiten die Verteidiger der Wasserinitiative ab, dass „Wasser in öffentliche Hände gehört“, wie es die SPD-Parlamentarierin Evelyn Gebhardt sagte. Nur so sei wirklich gewährleistet, dass ausreichend in Infrastruktur investiert werde, private Versorger würden eher in die Verlockung geraten, um des Profits willen an solchen Dingen zu sparen, wie die Trägerin der Wasserinitiative in Deutschland zu bedenken gab, Clivia Conrad von der Gewerkschaft Verdi. In der Frage aber, ob die Wasserversorgung privat oder öffentlich organisiert wird, sind der Kommission tatsächlich die Hände gebunden. Sie ist Sache der Mitgliedsstaaten. Andererseits monieren die Initiatoren, dass die Kommission nicht ganz so pingelig über ihre Kompetenzen nachdachte, als sie europäischen Krisenländern wie Portugal über die „Troika“, also zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank die Privatisierung von Wasserversorgung „empfahl“. „Die Entscheidung darüber haben aber die Mitgliedsstaaten getroffen, nicht wir!“, wehrt sich die Kommission.
Es sind derartige „Formalismen“, die auch Sven Giegold von den Grünen verärgerten. Auch er fürchtete am Dienstag, dass die Mitteilung der Kommission „nicht handfest genug ist“, um die 1,7 Millionen Unterzeichner zufriedenzustellen. „Das wäre nichts anderes als Wahlkampfhilfe für Europaskeptiker“, fürchtet Giegold. Denn: Die „Recht-auf-Wasser“-Initiative hat den Charme, das erste erfolgreiche Bürgerbegehren der EU-Geschichte zu sein, weil es das erste war, das alle im Lissaboner Vertrag festgelegten Minimalanforderungen (mehr als eine Million Unterschriften in mindestens sieben EU-Ländern) erfüllt hatte. „Es wäre demokratietheoretisch fatal, die damit verbundenen Hoffnungen der Menschen zu enttäuschen“, sagt Weidenholzer.
In der Kommission ist man sich dessen bewusst. „Wir gehen doch positiv auf die Initiative ein!“, klagt ein hoher Kommissionsbeamter, der namentlich nicht genannt werden will. So werde seine Behörde noch im laufenden Jahr die Meinung der Öffentlichkeit zur Revision der Trinkwasser-Richtlinie einholen. Das sei eigentlich nicht geplant gewesen. Und ist vielleicht nicht genug.
JAVIER CÁCERES