Ende der 1980er-Jahre war ich gemeinsam mit Barbara Prammer in der SPÖ Sektion Keferfeld tätig. Es war eine der kritischsten Sektionen der wahrlich nicht unkritischen Linzer Bezirksorganisation. Leidenschaftlich wurde über Wichtiges und weniger Bedeutsames diskutiert, immer unter grundsätzlicher Perspektive. Das konnte gar nicht anders sein – fanden die monatlichen Sitzungen doch unter einem Porträt von Bruno Kreisky statt, das er der Sektion Keferfeld persönlich gewidmet hatte.
Barbara Prammer, die sich nicht nur in frauenpolitischen Fragen engagierte, bei denen sie schon in frühen Jahren bundespolitisch wahrgenommen wurde, gehörte zu jenen realistischen Stimmen, die zum einen die Notwendigkeit der Bewahrung unserer damaligen Sozial- und Umweltstandards vertraten. Gleichzeitig war ihr klar, dass dies nicht möglich war, wenn der Blick auf die kleine Welt der Sektion, des Bezirkes oder der Republik beschränkt blieb. Nur wer in der Lage sei mitzureden, könne auch negative Entwicklungen hintanhalten. Sie war Neuem und Ungewöhnlichem gegenüber offen und hatte gegenüber Fremdem keine Berührungsängste. Ängste, die in der damaligen Sozialdemokratie noch viel stärker ausgeprägt waren als gegenwärtig. Ihr besonderes Engagement galt etwa der Unterstützung des Freiheitskampfes des sahaurischen Volkes. Das brachte neue Akzente in das vom retrospektiven Blick auf die glorreiche Geschichte und von der Bewältigung der aktuellen Stadtteilprobleme geprägte Sektionsleben.
Barbara wurde zu einer Leitfigur der österreichischen Sozialdemokratie, die weit über das Land hinaus Anerkennung und Beachtung findet. Sie hat ihre Grundsätze beibehalten, oftmals mit bewundernswerter Beharrlichkeit. Allerdings war sie keine Traditionalistin. Wie kaum jemand in der Funktion als oberste Parlamentarierin Österreichs hat sie politische Debatten losgetreten oder Reformen angestoßen. Mit der Gründung der Demokratiewerkstatt im Palais Epstein hat sie den bisher wichtigsten Beitrag zur in Österreich sträflich vernachlässigten Politischen Bildung geleistet.
Barbara Prammer war eine große Frau, die sich gewünscht hätte, dass wir mutig sind. Mut ist auch das, was wir jetzt brauchen, um den schweren, viel zu frühen Verlust umzugehen. Es liegt an uns, ihr Andenken zu bewahren und mutig die Zukunft zu gestalten. Genauso wie sie es gewollt hätte.
Dieser Text (adaptiert) ist in der Festschrift zum 60-jährigen Geburtstag von Barbara Prammer erschienen.