Seit Tagen geht mir ein Interview, das Conny Bischofberger im Neujahrs-Kurier mit dem österreichischen Milleniumsbaby führte, nicht aus dem Kopf.
Das junge Fräulein hat gerade ihren zehnten Geburtstag hinter sich gebracht und lebt mit Ihrer Mutter, einer Katze und zwei Echsen in einer kleinen, liebevoll eingerichteten Gemeindewohnung im Pirquethof in Wien – Ottakring. Die öffentlichen Flächen in der Wohnanlage meidet sie, weil „dort so viele Ausländerkinder sind“. Diese mag sie nicht, weil sie auf „Türkisch und Jugoslawisch“ mit ihr schimpfen, die „Fahrräder zerlegen“ und die „Bänke beschmieren“. Und „wenn der Hausbesorger die Stiege geputzt hat, spucken sie drauf.“ Cleopetra hingegen – auch ein „Ausländerkinderkind“ – mag sie. Mit ihr geht sie gemeinsam zur Schule.
Die kleine Beatrice scheint ein nettes, vernünftiges und wohlerzogenes Mädchen zu sein, sie ist lieb zu ihren Tieren und lernt in der Schule, wie man sich selbst organisiert. Sie ist mit ihrem Leben zufrieden, sparsam und auch auf dem neuesten Informationsstand: Sie selbst liest Heute und über die Omis hat sie Zugang zum Kurier und zur Kronenzeitung.
Reiche mag sie nicht, die findet sie zickig und ekelhaft: „Lieber nett sein und nicht so viel Geld haben.“ Politiker findet sie langweilig und streitsüchtig, obwohl sie eigentlich „nur den Netten, Dicken … den Bürgermeister“ kennt. Am besten wäre es, wenn das Land eine Königin hätte: Miley Cyrus, Katy Perry oder Lady Gaga etwa.
Wie soll man das bewerten? Als Menetekel, was auf uns in zehn oder zwanzig Jahren zukommen wird? Als Signal, nun endlich etwas zu tun und die Sorgen der Menschen ernst zunehmen, auch wenn man die Dinge anders einschätzt? Als Aufforderung, endlich in Politische Bildung zu investieren? Oder ist es einfach ein Gespräch mit einem (fast noch) Kind? Letzteres trifft auf jeden Fall zu. Aber heißt es nicht auch zutreffend: „ Kindermund tut Wahrheit kund.“
Außerdem sollte man die Rolle der Interviewerin hinterfragen. Interviews mit Kindern sind zumindest aus sozialwissenschaftlicher Sicht mit allergrößter Sorgfalt zu führen. Könnte es nicht sein, dass sich die Journalistin allzu selbstverständlich vom Vordergründigen leiten ließ und somit Vorgefasstem Vorschub leistete? Viel Prosa und wenig valide Fakten. Eine gute Story.
Und wenn dem so wäre, dass die vorgefasste Meinung solche Bilder präferierte, wäre das dann nicht das eigentliche Problem? Medien, die das Politische konstant heruntermachen, indem sie dessen Problemlösungsfähigkeit negieren und seinen AkteurInnen bloß Langeweile attestieren, mögen zwar in Detailaspekten Recht haben, insgesamt aber unterminieren sie die Legitimität der Demokratie.