Mitten im Urlaub mitten in Griechenland mache ich mich über deutsche Zeitungen her, in die man sich ja, im Gegensatz zu den österreichischen, eine Weile vertiefen kann. Darin jede Menge Auslassungen zu Griechenland, überall im Politikteil ebenso wie im Feuilleton und natürlich im Finanz-und Wirtschaftsteil. Die Frage, ob es das Land je schaffen wird, aus der Krise herauszukommen oder es Europa mit in den Abgrund ziehen wird, taucht immer wieder auf. Leichter Optimismus, weil das Land erstmals bald in die Lage kommen könnte, den laufenden Haushalt aus eigenen Einnahmen ausgleichen zu können, hält sich die Waage mit der üblichen deutschen Schwarzmalerei. Die griechische Regierung wäre nicht in der Lage, die gegenüber der Troika eingegangenen Verpflichtungen, wie etwa den Abbau von Beamten zu erfüllen. Aber auch wenn die Regierung das zustande brächte? Was würde das alles bewirken? Noch mehr Arbeitslosigkeit? Gerade gestern Abend haben mir Griechen erzählt, sie würden ihr Auto nicht mehr volltanken, sondern nur mehr für 10 oder 20€. Schlicht und einfach, weil es ihnen an Geld mangelt.
Nein es sieht nicht gut aus mit Griechenland. Die ganze Strategie war falsch. Die Rosskur der Troika ist ordentlich schief gelaufen.
Immer intensiver wird mit einem neuerlichen Schuldenschnitt spekuliert. Wieder einmal wird eine weitreichende Entscheidung hinausgezögert. Bis nach den deutschen Bundestagswahlen. Wie schon einmal 2010, als um den ersten Rettungsschirm ging und die Landtagswahlen in NRW dazwischen lagen. In diversen Aussagen von Angela Merkel kündigt sich die Korrektur der bisherigen Politik schon an. Immer häufiger ist von der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas die Rede. Noch ist Bundestagswahlkampf, noch steht Deutschlands Rolle als vermeintlicher Musterschüler im Zentrum, aber bald , nach geschlagener Wahl, werden wir es wohl deutlich anders hören. Das, was Merkel und Schäuble schon lange sagen hätten sollen, aber aus wahltaktischem Kalkül nicht hatten sagen wollen. Es braucht einen Schuldenschnitt, eine Vergemeinschaftung der Schulden und einen Abbau der Ungleichgewichte. Sonst wird der Exportweltmeister auf seinen Produkten sitzenbleiben und Europa hinter den Rest der Welt zurückfallen. Wieder einmal werden die Maßnahmen zu spät, auf jeden Fall uns viel zu teurer zu stehen kommen. So geschieht es, wenn das nationale vor das gesamte Interesse gestellt und das persönliche Interesse mit dem der Nation gleichgesetzt wird.
Diese erste große Krise Europas nach 1945 ist vor allem eine Krise Angela Merkels, sie in vielen Aspekten ihr Produkt. Ihr Kokettieren mit nationalen Ressentiments, ihre einer realitätsfernen nationalökonomischen Doktrin entstammende Austeritätspolitik, die wählerwirksam das Klischee der „schwäbischen Hausfrau“ bedient und ihr wahltaktisch bedingtes Zögern haben das Ausmaß der Krise entscheidend beeinflusst. Ihre taktische Meisterleistung besteht darin, dies als alternativlosen Beitrag zur Lösung eben dieser Krise zu verkaufen. Gerade jetzt aber würden wir an der Spitze der größten europäischen Volkswirtschaft Persönlichkeiten brauchen, die nicht nur vom taktischen Kalkül getrieben, sondern zu strategischen Entscheidungen bereit sind. Deutschland darf sich nicht von Europa abkoppeln. Eine überwiegende Mehrheit der Deutschen will das auch nicht. Es ist leider schon vieles in diese Richtung passiert. Und dennoch gibt es auch Erstaunliches. Die FAZ (17. Juli 2013) berichtet von einer Umfrage, wonach erstmals das Vertrauen der Deutschen in die EU wächst und auch die D-Mark Nostalgie dahinschwindet. Die Mehrheit bevorzugt den Euro (50%vs 35%). Interessant ist ein Detail. Bei der Frage, welche Partei sich am meisten für Europa einsetzt liegt die CDU mit deutlichem Abstand vor der SPD (42% zu 12%). Das mag dem Kanzlerinnnenbonus geschuldet sein.
Es zeigt aber auch, dass die SPD hier Nachholbedarf hat und die bis dato mageren Umfragewerte wahrscheinlich auch mit einer in der öffentlichen Meinung vorherrschenden europapolitischen Abstinenz zusammenhängen. Die Wählerinnen und Wähler erwarten sich mit Recht, Aussagen, in welche Richtung sich Europa entwickeln soll. Angela Merkel und die CDU geben sie, auch wenn sie falsch sind. Die Sozialdemokratie hätte die richtigen Antworten. Sie kommen aber nicht an, wahrscheinlich auch, weil sie zu wenig mutig vorgetragen werden. Dass es nicht schadet, wenn man sich klar und eindeutig zu Europa bekennt und dass man sogar als Kleinstaat einiges auf europäischer Ebene bewegen kann (Finanztransaktionssteuer, Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit) zeigt die österreichische Sozialdemokratie.
Aber um den Kurs der Geschichte zu ändern, braucht es eine Kursänderung im bedeutendsten, bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich potentesten Mitgliedstaat der Union, in Deutschland. Wer sonst, außer der SPD könnte diesen herbeiführen. Noch ist genug Zeit für eine klare Ansage, dass Europa anders geht, als es uns Frau Merkel weis zu machen versucht. Die SPD braucht nur das zu tun, was Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments seit Jahr und Tag lautstark predigt, für ein gemeinschaftsorientiertes Europa einzutreten, das die bestehenden Ungleichheiten abbaut und sie nicht vertieft. Die Wahlen zum deutschen Bundestag und in logischer Konsequenz auch die zum österreichischen Nationalrat, beide finden im September statt, sind daher historische Weichenstellungen. Hier wird nicht nur über die nationale Politik entscheiden, sondern auch, wohin sich Europa entwickeln wird. Vor allem darüber denke ich nach, mitten im Sommer mitten in Griechenland.