Mehr als 80 Millionen Menschen in der EU sind von Armut bedroht – und jährlich werden es um eine Million mehr. Österreich steht noch vergleichsweise gut da.
Wien – Ein Sechstel der EU-Bevölkerung ist armutsgefährdet – Tendenz steigend. Das geht aus der Studie „Armut in der Europäischen Union“ der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGPP) hervor, die am Montag in Wien präsentiert wurde.
Die Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil der Bevölkerung an, deren Haushaltseinkommen weniger als 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens beträgt. Derzeit sind das EU-weit 80,7 Millionen Menschen. Jedes Jahr werden es um eine Million mehr. Die höchste Quote wies Lettland mit 21,3 Prozent auf, die niedrigste Tschechien mit neun Prozent.
Bedrohung in Österreich relativ gering
Die Länder mit der höchsten Armutsgefährdung waren 2010 neben Lettland Rumänien, Bulgarien und Spanien – mit jeweils über 20 Prozent. Auch in Litauen und Griechenland war jeder Fünfte armutsgefährdet.
Auffällig ist, dass laut der Studie fast die Hälfte der armutsgefährdeten Menschen (36 der 81 Millionen) im „reichen Westeuropa“ lebt, gefolgt vom Süden (25 Mio.), Osten (17 Mio.) und Norden (3 Mio.).
„Das besonders Beunruhigende daran ist die steigende Tendenz“, betonte ÖGPP-Generalsekretär Andreas Höferl bei der Präsentation der Studie.. Die stärkste Zunahme an armutsgefährdeten Personen würden jene Länder verzeichnen, die auch am stärksten von der Finanzkrise betroffen sind, etwa Irland und Spanien.
Österreich lag mit einer Quote von 12,1 Prozent an viertniedrigster Stelle. Die Zahl der Armutsgefährdeten ist hierzulande mit etwa einer Million Menschen relativ konstant und niedrig.
EU-weit zu den am stärksten von Armut bedrohten Gruppen zählen Arbeitslose (45,1 Prozent) und Alleinerzieher (36,8 Prozent). Außerdem gefährdet sind Teilzeitbeschäftige, Menschen mit geringer Bildung, kinderreiche Familie, ältere Menschen und Zuwanderer. Migranten etwa sind doppelt bis drei Mal so häufig betroffen.
EU-weit am wenigsten bedroht sind Personen mit einem Hochschulabschluss und Vollzeit Erwerbstätige.
EU-Abgeordneter fordert „Sozialunion“
Der EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer (SPÖ) will nun die soziale Dimension in der EU stärken. „In der EU ist von Schuldenunion, Fiskalunion und Bankenunion die Rede, aber ganz selten von einer Sozialunion“, kritisierte Weidenholzer. Die Sozialdemokratische Fraktion fordere deshalb eine soziale Säule in der EU: „Weil Wachstum, das auf Ungleichheit basiert, nicht nachhaltig ist. Die Länder, die viel für soziale Sicherheit ausgeben, sind auch die wettbewerbsfähigsten“, sagte der EU-Abgeordnete am Montag.
Durchschnittlich werde die Armutsgefährdung durch die Sozialleistungen des Staates halbiert – auch Österreich reduziere den Anteil der Betroffenen von 24 auf 12 Prozent, verwies Weidenholzer auf die Studie. In sechs Staaten – Irland, Finnland, Schweden, Dänemark, Niederlande und Ungarn – werde das Risiko um mehr als die Hälfte reduziert.
Die EU will im Rahmen der Strategie „Europa 2020“ die Zahl der Armutsgefährdeten bis 2020 um 20 Millionen senken. In Österreich wären das eine Viertel Million Menschen. (tt.com)