Am 1. Mai versammeln sich tausende Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf den Straßen, um eine gerechte Verteilung von Arbeit und Vermögen einzufordern. Bei den diesjährigen Maifern in Linz war Europa-Abgeordneter Josef Weidenholzer der Festredner am Linzer Hauptplatz, der mit seinen starken Worten viel Zustimmung bekam. Die gesamte Rede findet sich hier zum Download und Nachlesen. Eine Berichterstattung (mit Videoauszug von der Rede) findet sich auf ORF.at hier.

Festrede von Josef Weidenholzer:
„Es sind die Menschen, die mit ihrer Arbeit Werte schaffen“

Liebe Genossinnen und Genossen!
Für einen oberösterreichischen Sozialdemokraten gibt es keine größere Auszeichnung, als am 1. Mai am Linzer Hauptplatz reden zu dürfen. Ich danke der Linzer SPÖ dafür.
Dieser Platz ist ein historischer Platz. Hier veranstalten wir Sozialdemokraten seit über 90 Jahren unsere Maikundgebungen.   In guten und in schlechten Zeiten. Der heurige 1.Mai ist nicht leicht einzuordnen. Ja, im Vergleich zu früher geht es uns gut, aber immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass es so nicht weitergehen wird. Viele Menschen haben Angst vor der Zukunft und sorgen sich um ihre Ersparnisse. Ja, wir sind mitten in der Krise und niemand weiß wie lange sie noch dauern wird. Und Gerade deshalb brauchen wir jetzt einen klaren Kurs, der auf einem klaren Urteil beruht. Diese Krise ist keine Staatsschuldenkrise, sie ist eine Krise des Finanzkapitals. Wir erinnern uns gut. Vor fünf Jahren ist die US-amerikanische Investmentbank Lehman Pleite gegangen und hätte beinahe das ganze Finanzsystem in die Luft gesprengt. Bis zu diesem Zeitpunkt haben alle EU-Staaten kontinuierlich ihre Schulden abgebaut. Erst mit den Bankenrettungspaketen sind diese wieder angestiegen.  Wir waren es nicht, die über die Verhältnisse gelebt haben. Nein, es waren und sind die Finanzkreise die mit dem geborgten Geld ungehemmt spekuliert haben. Sogar auf den Zusammenbruch des Euro.
Den Menschen hat man in den letzten Jahrzehnten eingeredet:
dass man innerhalb kurzer Zeit viel verdienen
aus faulen Krediten neues Geld schöpfen kann,
dass man seine Alterssicherung am besten privat macht
und dass man sein Geld arbeiten lassen kann.

Liebe Genossinnen und Genossen!
Die Botschaft des 1.Mai heißt: Geld arbeitet nicht! Es sind die Menschen, die mit ihrer Arbeit Werte schaffen. Eigentlich sollte die Realwirtschaft zählen. Heute sind es aber die Finanzmärkte die den Kurs des Geschehens vorgeben. Tüchtigkeit und Fleiß zählen nicht mehr. Denken wir an das Schicksal der Firma Quelle in Linz. Da hat alles gepasst, der Betrieb war in Ordnung, bloß wollte der neue Eigentümer, Otto Versand, die Marke Quelle aus dem Spiel nehmen und über 1000 Menschen verloren ihre Arbeitsplätze. So passiert das laufend, überall in Europa. Wie Heuschrecken fallen Finanzinvestoren über gesunde Betriebe her. Einzig und allein wegen eines kurzfristigen Profits. In Sekundenbruchteilen werden gigantische Summen vernichtet. Viel zu lange haben wir uns von den Versprechungen blenden lassen, als Konsumenten, denen man Finanzprodukte aufgeschwatzt hat, oder als Kommunen, Gebietskörperschaften und Staaten, denen man die Lösung aller Finanzprobleme versprochen hat.  ….Auf diese Versprechungen fallen wir nicht länger hinein, liebe Genossinnen und Genossen!
Moralische Maßstäbe gelten nicht mehr. Außer einer guten Rendite, zählt nichts.  Die Gier macht die Menschen rücksichtslos und sie zerstört das Gemeinwesen. Sie macht die Armen ärmer und die Reichen reicher. Der Chef von Volkswagen hat im vergangenen Jahr 14,6 Millionen Euro verdient. Das sind 1,2 Mio Euro im Monat oder 40.000 am Tag. Soviel kann kein Mensch arbeiten. Das ist ungerecht und es führt zu einem neuen Klassenkampf, wo sich die obersten 10% immer mehr von der Mehrheit der Bevölkerung entfernen. Wir sagen Nein zu diesem Klassenkampf von oben und fordern Gerechtigkeit ein. Jetzt und Heute hier am Linzer Hauptplatz. Denn es kann und darf nicht sein, dass wir, die Mehrheit, mit dem erzwungenen Verzicht auf ein gutes Leben den Luxus einer kleinen, abgehobenen Elite finanzieren müssen. Das ist ungerecht, liebe Genossinnen und Genossen, und schädigt nachhaltig unsere Zukunftsperspektiven und die unserer Kinder und Enkelkinder. Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Die Menschen sind verunsichert und wir alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann. Aber Vorsicht: Es sind politische Rattenfänger unterwegs, die hemmungslos die Unzufriedenheit ausnutzen, um an die Macht zukommen, Macht um der Macht willen, so wie im Jahr 2000. Um sich dann die Taschen vollzustopfen. Wir kennen sie, die Grassers und Meischbergers. Auf der anderen Seite der Donau im Bierzelt redet sich im Moment gerade Strache wieder einmal um seinen Verstand und greift tief in die Schublade der Diffamierung, wirft Nebelgranaten, reißt die Dinge aus dem Zusammenhang und erklärt die, die sich nicht wehren können, zu Sündenböcken.
Liebe Genossinnen und Genossen!
In Zeiten der Krise hilft es nicht, wenn man wild um sich schlägt. Zorn und Hass sind schlechte Ratgeber. Was wir brauchen ist entschlossenes und zielgerichtetes Handeln. Unsere Ziele sind klar: Wir müssen die Macht der Finanzmärkte brechen. Die Banken müssen wieder das tun, was sie tun sollen: die Wirtschaft mit Geld versorgen und das Zocken den Kasinos überlassen. Die Realwirtschaft muss in den Mittelpunkt. Es muss sich lohnen, wieder in die Produktion zu investieren. Also Wiederaufbau einer starken Industrie in Europa statt Verlagerung der Arbeitsplätze in Billiglohnländer. Wir Linzer Sozialdemokraten haben es vorgezeigt, wie wichtig es ist die Industriearbeitsplätze zu sichern. Und es ist auch wichtig, die Menschen fair und gerecht zu entlohnen. Gerade am 1.Mai  sollen wir uns daran erinnern. Gute Entlohnung und solide soziale Absicherung sind die besten Garanten für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Das schlimmste ist die Arbeitslosigkeit, vor allem, wenn sie die Jugend betrifft.  Die Industriestadt Linz steht heute gut da, weil wir Arbeit haben und weil wir eine soziale Musterstadt sind und das muss auch so bleiben. Ein gut funktionierendes Gemeinwesen braucht eine verlässliche Finanzierung. Deshalb brauchen wir faire und gerechte Steuern, vor allem mehr vermögensbezogene Steuern. Es darf nicht sein, dass die Steuerlast fast ausschließlich von den Erwerbstätigen geschultert werden soll. Und es ist auch mehr als gerecht, wenn die, die am meisten profitiert haben, eben auch mehr zur Kasse gebeten werden: Deshalb ein Ja zur Millionärssteuer. Und: all jene, die sich ihrer Steuerpflicht entschlagen verdienen keinen Pardon. Bankgeheimnis hin oder her: Wir müssen konsequent sein und ohne wenn und aber alle Steueroasen trockenlegen.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Wir haben nicht viel Zeit. Wir brauchen andere Mehrheiten: Auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Die meisten Dinge werden heute in Brüssel entschieden, im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im nächsten Jahr haben wir mit Martin Schulz einen glaubwürdigen Spitzenkandidaten. Mit ihm wird es uns gelingen, klar zu machen, wie wichtig ein Soziales Europa ist. In Brüssel ist ebenso entscheidend, dass in möglichst vielen Mitgliedsstaaten Sozialdemokraten regieren. Auch darum geht es bei den Nationalratswahlen im Herbst. Werner Faymann hat auf europäischer Ebene viel bewegen können. Obwohl Österreich ein kleines Land ist. Ohne ihn gäbe es keine Finanztransaktionssteuer und keine Aktivitäten gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Mit einer stärkeren SD könnten wir viel bewegen – in Österreich und in Europa. Es nützt nichts, wenn wir nur die guten Ideen, aber nicht die nötige politische Macht dahinter haben. Eines ist gewiss, wenn wir auf beinahe 100 Jahre 1.Mai auf dem Linzer Hauptplatz zurückblicken. Den Menschen ist es immer dann gut gegangen, wenn es der Sozialdemokratie gut gegangen ist, und: Der Sozialdemokratie ist es immer dann gut gegangen, wenn sie zu ihren Werten gestanden und die Sorgen der Menschen ernst genommen hat.
In diesem Sinn, liebe Genossinnen und Genossen,
Ein Hoch dem 1. Mai,
Es lebe die Sozialdemokratie!