Beitrag für die Festschrift zum 60 Geburtstag von Bürgermeister Franz Dobusch
Die Finanzkrise des Jahres 2008 wird die Welt grundlegend verändern.
In ihrer historischen Wertigkeit ist sie jener der 1930er Jahre vergleichbar. Noch wissen wir nicht, ob wir das große Beben schon hinter uns haben. Allerdings wissen wir über die Kollateralschäden, die freilich nicht aufs Konto der Verursacher, die außer Rand und Band geratenen Finanzmärkte, gehen. Auch wenn sich die “Realwirtschaft” erholen sollte, wie es zu Beginn des Jahres 2011 den Anschein hat, so sind die sozialpsychologischen und politischen Konsequenzen deutlich erkennbar und nur mit klugem und beherztem Gegensteuern abzuwenden.
Ein Gefühl der Hilflosigkeit macht sich bei vielen Menschen breit. Sie sind enttäuscht, fühlen sich benachteiligt und verraten. Zukunftsängste verstellen den Blick nach vorne. Neidgefühle zersetzen den sozialen Zusammenhalt und Minderheiten müssen als Sündenböcke herhalten. Der zunehmende Gebrauch biologistischer Erklärungsmuster – jüngst aufgebrochen in der Sarrazin-Debatte – wie etwa über die genetische Ausstattung einzelner Ethnien (“Die Türken”) oder die Vererbbarkeit sozialer Merkmale (“Die Unterschicht”) unterhöhlt die Bedeutung einer an der allgemeinen Gleichheit aller Menschen ausgerichteten Leitvorstellung, welche bis dato politischer Grundkonsens war.
Die Finanzkrise hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die durch die neoliberale Revolution des ausgehenden 20. Jahrhunderts bereits brüchig gewordenen Leitideen, welche das Nachkriegseuropa geprägt und geformt haben, christdemokratischer Konservatismus und sozialdemokratische Linke, in eine Sinnkrise geraten sind. Der Liberalismus hat sich schon wegen seiner neoliberalen Mutation erledigt.
Ohne Orientierungsrahmen ist die Demokratie verloren
Die gegenwärtige Situation ist durch einen Mangel an allgemein akzeptierten und politisch wirksamen Leitvorstellungen gekennzeichnet. In dieses gefährliche Vakuum stößt die Neue Rechte, die, sich die Ohnmachtsgefühle vieler Enttäuschter zunutze machend, auf irrationale und antidemokratische Deutungsmuster zurückgreift und dabei den Griff in die historische Mottenkiste nicht scheut. Die Krise lässt die Menschen mit diesem per se krisenhaften Deutungsangebot alleine.
In vielen europäischen Ländern – Deutschland ist hier glücklicherweise (noch) eine Ausnahme – sind derartige Bewegungen auf dem Vormarsch. Die etablierten Parteien sind einem ständigen Erosionsprozess ausgesetzt.
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