Mit der am Mittwoch, 11. Juli 2012 von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier präsentierten Richtlinie kommt endlich positive Bewegung ins UrheberInnenrecht. Die neue Richtlinie enthält strengere Regeln für Verwertungsgesellschaften, bringt mehr Rechtssicherheit für UrheberInnen und soll durch leichtere und einheitliche Lizenzierung ein breiteres leicht zugänglicheres Online-Angebot schaffen.
Im Zusammenspiel zwischen UrheberInnen, VerwerterInnen und KonsumentInnen gibt es eine Reihe von Problemen. Der rechtliche Rahmen sollte so ausgelegt sein, dass es zu einem fairen Interessenausgleichs zwischen KünstlerInnen, den VerwerterInnen und den KonsumentInnen kommt. Derzeit ist das nicht der Fall: Von der derzeitigen Regelung  des Urheberrechts profitieren lediglich die Verwertungsgesellschaften, KünstlerInnen und KonsumentInnen zählen zu den VerliererInnen. Nun kommt von der Kommission ein Vorschlag für eine Richtlinie, bei dem nicht rein die Geschäftsinteressen der Industrie und VerwerterInnen im Vordergrund stehen, sondern der Fokus auf der Stärkung von Rechten von UrheberInnen und KonsumentInnen liegt. Ein wichtiger Anfang.
Die Verwertungsgesellschaften
In der EU treten mehr als 250 Verwertungsgesellschaften auf: Die bekannteste und größte davon ist die deutsche GEMA, in Österreich die AKM. Die Gesellschaften verwerten die Urheberrechte ihrer Mitglieder und treiben Gebühren für das öffentliche Abspielen von zum Beispiel ihrer Musiktitel ein. Jährlich summiert sich dies nach EU-Angaben auf sechs Milliarden Euro. Ein großer Anteil der Einnahmen aber nicht zurück an die KünstlerInnen, sondern an die großen Verlage und Labels. Nach wie vor werden fast vierzig Prozent der von AKM, GEMA und anderen nationalen Agenturen eingenommenen Gelder an Verlage und Labels ausgeschüttet und nicht an die eigentlichen UrheberInnen. Bei den Einnahmen und der Verteilung der Gelder herrscht kaum Transparenz, die KünstlerInnen müssen oft sehr lange auf ihre Gelder warten und sind den Gesellschaften ausgeliefert. Zudem profitieren nur die großen KünstlerInnen: 65 Prozent der Gema-Ausschüttungen fließen an fünf Prozent der Mitglieder. Die Arbeitsweise von Verwertungsgesellschaften unterliegt bislang kaum gesetzlichen Regeln. „Zwar wird in einigen der geltenden Richtlinien zum Urheberrecht auf die Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften Bezug genommen, doch ist die eigentliche Funktionsweise der Verwertungsgesellschaften darin kein Thema“, heißt es im Kommissionstext.
Die neue Richtlinie
Die neue „Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt“ setzt deshalb da an, wo es notwendig ist. Mit der Auferlegung von strengen Regeln für Verwertungsgesellschaften, wie mehr Transparenz bei der Verwaltung  und den Einnahmen, schnellere und fairere Auszahlungen der Tantiemen an die Mitglieder durch Auszahlungsfristen, unabhängige Aufsichtsgremien, detaillierte Berichte über die Erlösquellen und die Verwendung der Mittel sowie mehr Information wird die Stellung der UrheberInnen gegenüber den Verwertungsgesellschaften gestärkt. Zusätzlich fordert die Richtlinie die EU Mitgliedsstaaten auf, das Recht der UrheberInnen auf freie Wahl einer Verwertungsgesellschaft gesetzlich zu verankern. KünstlerInnen soll es so ermöglicht werden, auch Gesellschaften zu wechseln.
Nach dem Vorschlag sollen Verwertungsgesellschaften die von ihnen vertretenen Rechte künftig auch EU-weit lizenzieren. Bislang gibt es keine einheitliche Lizenz für die online Bereitstellung von Musiktitel. Ein Anbieter braucht für die Bereitstellung des Downloads für jedes Mitgliedsland eine eigene Lizenz, was oft kompliziert ist und zu großen Verzögerungen führt. Der neue Richtlinien-Entwurf sieht Mehrgebietslizenzen vor, um die Online-Bereitstellung von Musikwerken innerhalb Europas länderübergreifend zu ermöglichen. Eine länderübergreifende Lizenz würde die Verbreitung von Musik über das Internet innerhalb Europa erleichtern  und verbesserten Zugang zu Online-Musik schaffen.
Wie geht es weiter?
Der Richtlinien-Entwurf über kollektive Rechtewahrnehmung und multi-territoriale Lizenzierung von Rechten an musikalischen Werken für Online-Nutzungen liegt nun dem Europaparlament zur ersten Lesung vor. Das Europäische Parlament berät über den Gesetzesvorschlag der Kommission und erarbeitet Abänderungsvorschläge. Danach geht der Parlaments-Standpunkt dem Rat der Europäischen Union zu. Bestätigt der Rat den Standpunkt des Parlaments, so ist das Verfahren beendet und das Gesetz tritt in Kraft. Stimmt der Rat dem Parlamentsentwurf nicht zu, wird der Standpunkt des Rates und der Kommission an das Parlament zur zweiten Lesung übermittelt. Bis das neue Gesetz erlassen ist, dürfte es – je nach Werdegang im parlamentarischen Prozess – noch bis zu zwei Jahren dauern.
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