EP wählt neuen Kommissionspräsidenten

Die 751 Abgeordneten der 8. Legislaturperiode wählten vergangenen Dienstag (15. Juli) Jean-Claude  Juncker zum neuen EU-Kommissionspräsidenten. Juncker löst Jose Manuel Barroso nach zwei Amtsperioden ab. Der luxemburgische Politiker und ehemalige Vorsitzende der Euro-Gruppe trat bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat für die Europäische Volkspartei an, die stimmenstärkste Fraktion wurde. 376 Stimmen hätte Juncker für die Wahl als Kommissionspräsident gebraucht – 422 hat er bekommen.
Junckers politisches Programm
In seiner Rede im Europäischen Parlament gab sich Juncker bewusst als Konservativer mit sozialem Gewissen. So kündigte Juncker an sich für eine soziale Marktwirtschaft einsetzen zu wollen und bisherige Kriseninstrumente – namentlich die Troika – auf deren demokratische Legitimität und ihre sozialen Konsequenzen hin prüfen und verändern zu wollen.
Kernstück seines Reformprogrammes war die Ankündigung eines Investitionspaketes für die Europäische Union. Innerhalb der ersten drei Monate seiner Amtszeit will Juncker ein ehrgeiziges Investitionspaket in Wachstum und Beschäftigung mit einem Volumen von 300 Millionen Euro vorstellen. Diese Mittel sollen vor allem in die Bereiche Infrastruktur, Bildung, Forschung, Innovation und erneuerbare Energien fließen. Hervorgehoben hat Juncker mehr Mittel für die Jugendbeschäftigung ausgeben zu wollen – vor allem im Rahmen der 2016 statt findenden Zwischenüberprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2014-2020.
Auch in Bezug auf die ältere Generation will Juncker aktiv werden: die Konsequenzen der Krise träfe nicht nur die junge Generation – vor allem PensionistInnen sind von den Folgen der Krise stark betroffen. Der Kampf gegen Armut müsse auch den Kampf gegen Altersarmut beinhalten. In diesem Zusammenhang kündigte Juncker an einen eigenen Kommissar/eine eigene Kommissarin zur Überwachung der Einhaltung der Grundrechtscharta einsetzen zu wollen. Diskriminierung aufgrund der Nationalität, des Geschlechts, der Religion, einer Beeinträchtigung, des Alters oder der sexuellen Orientierung dürfe in der Europäischen Union keinen Platz haben, so Juncker.
Speziell nahm Juncker auch Bezug auf Datenschutz als Grundrecht. Die USA müssen nach den jüngsten Vorfällen, als Voraussetzung für eine Fortsetzung, die EU erst wieder überzeugen, dass das aktuelle „Safe Harbour“ Abkommen auch wirklich sicher ist.
Zum Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) sagte Juncker, dass er dieses begrüßt und für einen Abbau der Zollbeschränkungen ist. Allerdings versicherte er in seiner Rede, dass er weder europäische Gesundheits-, Sicherheits-, Sozial- oder Datenschutzstandards für den freien Handel opfern werde.
Ob und auf welche Art und Weise Jean-Claude Juncker seine angekündigten Reformen durchsetzen wird, werden die kommenden fünf Jahre zeigen. Es liegt an den SozialdemokratInnen als größte „Oppositionsfraktion“ sozial gerechte Reformen durchzusetzen und einen Kurswechsel der bisherigen, neoliberalen Politik der europäischen Kommission zu fordern,  vor allem wenn es um die Regulierung der Finanzmärkte und die Stärkung der Realwirtschaft geht.
Hintergrund und nächste Schritte
Jean-Claude Juncker wurde am 27. Juni auch vom Europäischen Rat als Kandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten nominiert. 26 Mitgliedstaaten stimmten für ihn, zwei gegen ihn.
Die Wahl Junckers ging im Europäischen Parlament mit 422 Pro-Stimmen, 250 Gegenstimmen, 47 Enthaltungen und 10 ungültigen Stimmen über die Bühne. Bereits vor den EU-Wahlen am 25. Mai haben sich die größten Fraktionen darauf geeinigt den Kandidaten oder die Kandidatin jener Fraktion zu unterstützen, die als stimmenstärkste Partei aus den Wahlen hervorgeht. Damit wurde zum ersten Mal der WählerInnenwille bei der Bestimmung des EU-Kommissionspräsidenten zum entscheidenden Faktor. Unterstützung erhielt Jean-Claude Juncker bei der Wahl im Europäischen Parlament neben den Konservativen auch von den SozialdemokratInnen, den Liberalen und einem Teil der Grünen.
Juncker wird als designierter Kommissionspräsident nun die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten auffordern, KandidatInnen für die Posten der KommissarInnen vorzuschlagen. Das Europäische Parlament wird mit der Wahl der anderen Mitglieder der Kommission fortfahren. In den parlamentarischen Ausschüssen werden Anhörungen mit den KandidatInnen stattfinden. Die neue Kommission kann ihre Arbeit erst aufnehmen, wenn sie vom Europäischen Parlament bestätigt wurde.
Weitere Informationen
Pressemitteilung des Europäischen Parlament mit Reaktionen der FraktionspräsidentInnen
 

Jugendarbeitslosigkeit: EP beschließt Resolution

Am Donnerstag, den 17. Juli beschloss das Europäische Parlament in Straßburg einen gemeinsamen Entschließungsantrag zum Thema Arbeitsplätze für Jugendliche. Die Brisanz des Themas zeigt sich an den veränderten Mehrheitsverhältnissen: jene Stimmen, die rechtlich verbindliche Mindeststandards zur Umsetzung der Jugendgarantie und eine Ausweitung der Altersgrenze fordern, werden lauter und zahlreicher. Eine wichtige Forderung der SozialdemokratInnen ist durch den Beschluss der Resolution somit zur offiziellen Parlamentsposition gehoben worden.
Laut Eurostat-Statistik  lag die Arbeitslosenquote von Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren im April 2014 bei über 22 Prozent. Besonders dramatisch ist die Lage in Spanien (53,7%) oder Griechenland (56,3%). Österreich steht im Vergleich mit einer Jugendarbeitslosigkeitsquote von neun Prozent noch gut da. Im europäischen Durschnitt ist die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen doppelt so hoch wie bei den Erwachsenen – beinahe sechs Millionen junge EuropäerInnen sind arbeitslos.
Resolution fordert verbindlichen Rechtsrahmen
Angesichts der angespannten Situation und der ausbleibenden Erholung auf den Arbeitsmärkten beschloss das Europäische Parlament am Donnerstag neuerlich eine Resolution zum Thema Jugendbeschäftigung. Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich in dieser für einen europäischen Rechtsrahmen aus, mit dem Mindeststandards für die Umsetzung der Jugendgarantie eingeführt werden sollen. Der Rechtsrahmen soll zum Beispiel auf die Qualität von Ausbildungsstellen oder das Lohnniveau Bezug nehmen und vor allem in jenen Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen in denen die bestehenden Umsetzungsempfehlungen nicht eingehalten werden. Die Resolution fordert zudem eine Ausweitung der Jugendgarantie auf junge Menschen bis 30 Jahre.  Dies entspricht der sozialdemokratischen Forderung einer „echten“ Jugendgarantie.
Die Jugendgarantie nach österreichischem Vorbild soll aktuell jungen Menschen bis 25 Jahre nach dem Schulabschluss oder Jobverlust innerhalb von vier Monaten eine neue Arbeits- oder Ausbildungsstelle sicherstellen.
Seit 2010 setzen sich die SozialdemokratInnen im Europäischen Parlament für eine Europäische Jugendgarantie ein. Nach drei Jahren konnten die Nationalstaaten schließlich überzeugt werden und einigten sich auf eine Empfehlung zur Einführung der Europäischen Jugendgarantie. Mittlerweile haben sich alle EU-Mitgliedstaaten zur Implementierung der Jugendgarantie entschlossen. In einer Erklärung zur Umsetzung von Seiten des Rates und der Kommission vom Februar 2014 wurde allerdings festgestellt, dass die Umsetzung sehr langsam geschieht.
Mehr Mittel für die Jugendbeschäftigung
Ein großes Problem stellt die Unterfinanzierung der Initiative dar. Das Europäische Parlament kritisiert in der am Donnerstag beschlossenen Resolution, dass die sechs Milliarden Euro, die der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen im Mehrjährigen Finanzrahmen zur Verfügung stehen, zu wenig sind. Die ILO zeigt in einer Studie auf, dass mindestens 21 Milliarden Euro notwendig wären und die Jugendgarantie effizient umzusetzen und die Jugendarbeitslosigkeit somit nachhaltig zu bekämpfen.
Eine der wichtigsten Forderungen des Europäischen Parlaments in der beschlossenen Resolution ist daher die Verpflichtung in der für 2016 geplanten Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens die Jugendgarantie zu einer Priorität zu erklären und mehr Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen.
 
 
 

IBAN statt Kontonummer ab 1. August

Mit 1. August laufen Euro-Überweisungen und Lastschriften nur noch über IBAN (International Bank Account Number) und BIC. Zahlungsaufträge mit Bankkonto und Bankleitzahl können von Banken nicht mehr angenommen werden. Innerhalb der EU werden elektronische Überweisungen in Euro nur noch einen Tag dauern – zum Preis einer Inlandsüberweisung.
Die eigene IBAN findet man auf den eigenen Kontoauszügen, der Bankomatkarte oder beim Online-Banking.
Die IBAN-Einführung stellt eine der wesentlichsten Änderungen dar, die im Zuge der Einführung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraumes „SEPA“ durchgeführt wurde. Die SEPA-Initiative startete schon vor über zehn Jahren mit dem Ziel elektronische Euro-Zahlungen in andere EU-Mitgliedstaaten so schnell und sicher wie Inlandsüberweisungen durchführen zu können. Dadurch soll die elektronische Zahlung von Gütern und Dienstleistungen in anderen Euro-Ländern auch vereinfacht und konsumentenfreundlicher gestaltet werden.
Festgelegt wurde die IBAN-Umstellung mit einer 2012 beschlossenen Verordnung (EG 206/2012). Mit 1. Februar 2014 sollten alle Kreditüberweisungen und Zahlungsaufträge in Euro auf das SEPA-System umgestellt werden. Um einen reibungsloseren Übergang zu garantieren wurde die Frist auf den 1. August 2014 verlängert.
 
Weitere Informationen
Informationshomepage der Österreichischen Nationalbank zu IBAN/BIC
SEPA-Informationshomepage der Europäischen Kommission

Sg. Herr Juncker! Zwei Fragen an den möglichen zukünftigen Kommissionspräsidenten

Vergangenen Dienstag (8. Juli 2014) stellte sich Jean Claude Juncker als möglicher zukünftiger Kommissionspräsidenten dem Hearing der Europäischen SozialdemokratInnen. Nachdem die dafür vorgesehene Zeit zu knapp war, konnten viele Abgeordnete ihre Fragen nicht mehr stellen. Diese Fragen wurden gesammelt und gestern, Mittwoch, den 9. Juli 2014 Jean-Claude Juncker schriftlich übermittelt. Darunter auch die Frage von Josef Weidenholzer, die wir hier als offenen Brief auch gerne veröffentlichen. In der Hoffnung auf baldige Beantwortung.
Sg. Herr Juncker!
Die Frage des öffentlichen Charakters von Versorgungsdienstleistungen ist von zentraler Bedeutung für ein gut funktionierendes Gemeinwesen und ein hohes Niveau des sozialen Zusammenhalts. Im letzten Jahrzehnt wurde auf europäischer Ebene ein systematischer Privatisierungsprozess in die Wege geleitet. Nicht immer konnte dabei eine Verbesserung der Versorgungsqualität erreicht werden. Vor allem sozial schwache Bevölkerungsgruppen haben immer öfter Probleme einen adäquaten Zugang zu finden. Diese Veränderungen haben auch zu einem generellen Glaubwürdigkeitsproblem der europäischen Institutionen geführt und viele Menschen veranlasst, weitere Privatisierungen in diesem Bereich abzulehnen. Anlässlich der Beschlussfassung der von der Kommission geplanten Konzessionsrichtlinie unter die auch die Versorgung der Bevölkerung fallen sollte, kam es europaweit zu großem Unmut über eine mögliche Privatisierung der Wasserversorgung. Der Initiative right2water gelang es innerhalb weniger Monate im Rahmen der europäischen Bürgerinitiative mehr als 1.8 Mio. Unterschriften zu sammeln. Kernposition war, dass Trinkwasser als öffentliches Gut und nicht als Handelsware zu behandeln ist und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen nicht den Binnenmarktregeln und er Liberalisierungsagenda unterworfen sein soll.
Zwei Fragen an Sie als möglicher zukünftiger Präsident der Kommission:
1.) Wie stehen sie zu den Forderungen der Bürgerinitiative und welche Schritte werden sie diesbezüglich setzen?
2.) Wird es unter Ihrer Präsidentschaft zu weiteren Privatisierungsschritten im Bereich der Wasserversorgung kommen? Dies betrifft sowohl das Binnenmarktregime als auch das Eingehen internationaler, völkerrechtlich verbindlicher Vereinbarungen im Rahmen von TTIP und TISA.
Vielen Dank,
mit freundlichen Grüßen,
Josef Weidenholzer; MdEP