Sieben Fragen und Antworten zur Konzessionsrichtlinie

Die Abgeordneten im Binnenmarktausschuss haben am 24. Jänner 2013 den Bericht zum Kommissionsvorschlag zur Konzessionsvergabe angenommen. Mit 28 Pro-Stimmen zehn Gegenstimmen und zwei Enthaltungen wurde eine abgeänderte Textfassung zur der im Dezember letzten Jahres von der Kommission vorgelegten Konzessionsrichtlinie beschlossen.

Um was geht es bei der Konzessionsrichtlinie?

Die Konzessionsrichtlinie ist Teil einer umfassenden Reform des Öffentlichen Auftragswesens auf europäischer Ebene. Die öffentliche Auftragsvergabe wird durch eine Novellierung zweier bestehender Richtlinien reformiert, während die Richtlinie zur Konzessionsvergabe auf europäischer Ebene einen ganz neuen Bereich regelt.
Hier geht es um die Schaffung einheitlicher Regelungen für das Instrument der Konzessionsvergabe, welches bei öffentlichen Auftraggebern zunehmend beliebt ist. Konzessionen haben insbesondere im Energiebereich (Stromkonzessionen), im Bereich der Abwasserprivatisierung, der Vermarktung von Werbeflächen im öffentlichen Raum und im Baubereich (bspw. Vergabe einer Baukonzessionen bei einem Stadionbau und -betrieb) eine hohe Bedeutung. Konzessionen unterscheiden sich von öffentlichen Aufträgen im Wesentlichen dadurch, dass der Konzessionär von dem öffentlichen Auftraggeber keine feste Vergütung erhält, sondern das Recht zur wirtschaftlichen Nutzung des ihm eingeräumten Rechts oder das Nutzungsrecht zuzüglich eines Entgelts.
Bisher war europaweit lediglich die Vergabe von Baukonzessionen geregelt. Für die Vergabe von Dienstleistungkonzessionen gab es keine genauen gesetzlichen Vorgaben – hier mussten aber nach der Rechtsprechung des EuGH bisher schon die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gleichbehandlung und der Transparenz beachtet werden. Die Konzessionsrichtlinie sieht nun vor, dass Konzessionsvergaben auch im Dienstleistungsbereich ab einem Auftragswert von acht Millionen Euro europaweit ausgeschrieben werden sollen.

Welche Verbesserungen konnten erreicht werden?

Der Binnenmarkt-Ausschuss konnte durch seine Abänderungen einige Verbesserungen bei der Richtlinie erreichen. Änderungen an der Originalfassung nahm der parlamentarische Ausschuss beispielsweise beim Anwendungsbereich vor. Explizit ausgenommen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie sind Konzessionen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, öffentliche Personenverkehrsdienste oder bestimmte Leistungen für Rundfunk- und Fernsehanstalten. Auch Rettungsnotdienste (darunter fallen allerdings keine normalen PatientInnentransporte) werden explizit von der Ausschreibungspflicht ausgenommen. Zudem konnte der Schwellenwert, ab welcher Auftragshöhe eine Ausschreibung erfolgen muss von fünf auch acht Millionen Euro erhöht werden.
Darüber hinaus wurden die Prinzipien der „free administration“, also die Wahlfreiheit für öffentliche Stellen, sowie „freedom to define SGEI“, also die Definitionsmacht für öffentliche Stellen über Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse in der Richtlinie festgeschrieben. Auch beim sogenannten „subcontracting“, also einer Untervergabe an andere Unternehmen konnten einige Verbesserungen erreicht werden. Alle entsprechenden Verträge müssen offen gelegt werden. Von den einzelnen Mitgliedsstaaten muss darauf geachtet werden, dass auch von allen Subunternehmen die rechtlichen Bestimmungen im jeweiligen Land eingehalten werden. Zudem besteht die Möglichkeit ein „system of liability“ bereitzustellen. Somit könnte ein Großteil des Haftungsrisikos von der öffentlichen Stelle auf den Auftragsnehmer übertragen werden. Ein weiterer Änderungsantrag des Parlaments legt fest, dass die Richtlinie nur für Konzessionen gilt, die nach in Kraft treten der Richtlinie vergeben werden. Sie gilt aber bereits für bestehende Konzessionen,  sofern Änderungen an den Verträgen vorgenommen werden.

Welche Verbesserungen konnten nicht erreicht werden?

Für soziale Dienstleistungen ist im Entwurf ein vereinfachtes Verfahren (Vergabebekanntmachung) vorgesehen, langfristig könnte es also auch für soziale Dienstleistungen zu einer Ausschreibungspflicht kommen. Alle Abänderungsanträge, die eine klare Ausnahme des Wassersektors forderten, fanden keine Mehrheit. Bei Inkrafttreten der Richtlinie in der vom Binnenmarkt beschlossenen Fassung würde der sensible Bereich der  Wasserwirtschaft ausschreibungspflichtig werden. Die Konzessionsvergaben werden zudem nicht verbindlich an soziale, arbeitsrechtliche oder ökologische Zuschlagskriterien gebunden. Auch der Ausschluss von BewerberInnen, die grobe Verstöße gegen sozial-, umwelt- und arbeitsrechtliche Bestimmungen aufweisen kann lediglich auf freiwilliger Basis passieren.

Wo liegt das Problem?

Die Bereiche der Daseinsvorsorge (Wasser, Abfall, Energie, Gesundheitswesen etc.) werden oft an öffentliche Unternehmen vergeben. Die Vergaben an öffentlich kontrollierte Unternehmen, als auch andere Formen der öffentlich-öffentlichen Kooperation würden durch die Richtlinie massiv erschwert werden. Als Konsequenz einer Konzessionsrichtlinie müssten Gemeinden und Städte europaweit ausschreiben. Von einer Wahlfreiheit für Kommunen kann hier keine Rede sein. Der komplizierte Richtlinienentwurf führt zu mehr Rechtsunsicherheit, Verwaltungsaufwand und Beratungskosten für öffentliche Stellen und verschafft privaten Großkonzernen einen Zugang zu grundlegenden Leistungen der DAseinsvorsorge.

Wie werden Vergaben an öffentliche Unternehmen und öffentliche Kooperationen erschwert?

Dienstleistungkonzessionen werden im Bereich der Daseinsvorsorge (Wasser, Abfall, Energie, Gesundheitswesen etc.) häufig an öffentliche Unternehmen oder Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung („verbundene Unternehmen“) vergeben. Der Grund dafür ist einfach: Die Wasserversorgung ist eine Leistung der Daseinsvorsorge und sollte daher auch in öffentlicher Hand sein.
Entscheiden sich Gemeinden dafür, Leistungen der Daseinsvorsorge über verbundene Unternehmen zu erbringen, findet die Konzessionsrichtlinie eben doch Anwendung. Eine Ausnahme bei der Vergabe an verbundene Unternehmen (siehe Art. 11 der Richtlinie) ist nur dann möglich, wenn mindestens 80% des Umsatzes eben jenes Unternehmens aus der Erbringung von Dienstleistungen für die Gemeinde stammen. Dies ist für die meisten Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind aber nicht möglich, da es sich meist um sogenannte Mehrspartenunternehmen (z.B.: deutsche Stadtwerke, Linz AG) handelt. Diese erbringen beispielsweise Leistungen im Bereich des Wassers, der Abfallbeseitigung, des öffentlichen Verkehrs, sowie der Energieversorgung. Bei der Berechnung wie viel Prozent des Umsatzes für die Gemeinde erbracht wird (erforderlich sind 80%), wird aber nicht nur der Umsatz im Wasserbereich herangezogen, sondern der Gesamtumsatz. Also auch der Umsatz, der im liberalisierten Energiesektor erwirtschaftet wird. Diese Mehrspartenunternehmen fallen in der Praxis also klar in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Jene Gemeinden, die ihre Wasserversorgung auf öffentliche Unternehmen ausgelagert haben, müssten die Konzessionen nach in Kraft treten ausschreiben. Von Wahlfreiheit für Kommunen kann hier keine Rede sein. Ganz ähnlich verhält sich die Problematik auch bei den Ausnahmen für öffentlich-öffentliche Kooperationen (sieh Art. 15 der Richtlinie).
Im Binnenmarktausschuss konnte für Mehrspartenunternehmen im Wassersektor eine Übergangsfrist bis 2020 ausverhandelt werden, damit diese ihre internen Strukturen entsprechend verändern können. Auch wenn die Übergangsfrist im Zuge der Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat beibehalten wird, besteht für betroffene Gemeinden immer noch die Gefahr die komplexen Bestimmungen nicht einhalten zu können. In strittigen Fällen könnte es zu Gerichtsverhandlungen kommen. Die Komplexität der Ausnahmeregelungen für Vergaben an verbundene Unternehmen und das damit verbundene finanzielle Risiko bei etwaigen Klagen würde den Privatisierungsdruck auf betroffene Gemeinden massiv erhöhen.

Wie geht es weiter?

Der im Binnenmarkt beschlossene Bericht zur Konzessionsrichtlinie wird zur Zeit in einem informellen Trilog zwischen Parlament, Kommission und dem Rat verhandelt. Die endgültigen Verhandlungsergebnisse und somit jene Fassung, die dann zur Abstimmung gebracht wird, werden für Juni/Juli erwartet. Die Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments soll voraussichtlich im Oktober statt finden. Dort könnte die Richtlinie als Gesamtes noch abgelehnt werden.

Was kann man tun?

Es gibt schon mehrere Initiativen, die sich gegen die Richtlinie wenden. Die Größte davon ist www.right2water.eu. Kontaktiere auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die voraussichtlich im Oktober 2013 über die Richtlinie abstimmen werden. Eine Liste aller Abgeordneten findet sich auf der Seite des Europäischen Parlaments. Es geht nun, um viel Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Wenn du die Updates erhalten möchtest, Mail an [email protected].
Links zur Richtlinie:
Verlauf der Richtlinie und Gesammelte Abänderungsanträge
Kommissionsvorlage zur Konzessionsvergabe (Dezember 2011)
Angenommene EP-Entschließung von 18. Mai 2010 zu „Neue Entwicklungen im öffentlichen Auftragswesen„.
IMCO stimmt ab  und „Es liegt nun am Plenum“ auf www.weidenholzer.eu/rl15
Entwicklungen bei der Konzessionsrichtlinie, Artikel von 20.Jänner 2013
Presseberichte in Österreich rund um die Konzessionsrichtlinie
„Privatisierung der Wasserversorgung“ Artikel von Heribert Prantl in der SZ (27.Jänner 2013)
Artikel auf Euractiv zum Thema (29.Jänner 2013)

Aktuelle Medienberichte zur Konzessionsrichtlinie

Seit die umstrittene Konzessionsrichtlinie am 24. Jänner im federführenden Binnenmarktausschuss Weiterlesen

Lobbyisten versuchen EU Datenschutz zu verwässern (Die Presse)

Erschienen in der Presse, am 29. Jänner 2013

Lobbying gegen EU Datenschutz (Salzburger Nachrichten)

Erschienen in den Salzburger Nachrichten auf Seite 5 am Dienstag, 29. Jänner 2013.

Sorge ums Wasser steigt (Vorarlberger Nachrichten)

Erschienen in den Vorarlberger Nachrichten auf Seite 2 am Freitag, 24. Jänner 2013.

Österreichs Wasserschlacht mit Brüssel (Der Standard)

Erschienen in der Wochenendausgabe des Standard, 26/27 Jänner 2013

"EU-Datenschutz vor Verwässerung schützen"

Heute, Montag 28. Jänner 2013, dem Europäischen Datenschutztag nahmen SPÖ-EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer (Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres) und Datenschutzexperte Andreas Krisch (Präsident EDRi – European Digital Rights, Obmann VIBE!AT, unwatched.org) und Max Schrems (europe-v-facebook.org) zum Thema “Datenschutz hat Zukunft – Was bringt die neue EU-Datenschutzreform?” Stellung.

Presseberichte

Erschienen in der Presse, am 29. Jänner 2013

 
Erschienen in den Salzburger Nachrichten auf Seite 5 am Dienstag, 29. Jänner 2013.

 
Bericht auf futurezone.at, 28.1.2013: „Datenschutz: Höhere Strafen für Unternehmen“
Bericht auf der Standard.at: „Datenschützer waren vor Lobbying der Industrie gegen EU-Datenschutzreform“
Bericht auf unwatched.org: „Datenschutz hat Zukunft“
Bericht auf ceiberweiber.at: „Datenschutz in der EU und weltweit“

Video zum Pressegespräch „Datenschutz hat Zukunft“,
am 28. Jänner 2013 in Wien

 
Hier die Nachberichterstattung auf derstandard.at:

DerStandard:at: Datenschützer warnen vor „Lobbying“ gegen EU-Datenschutz – SP-EU-Parlamentarier Weidenholzer: Druck der Verwässerer braucht öffentlichen Gegendruck

Druck erzeugt Gegendruck – nach diesem Prinzip versuchen EU-Parlamentarier und Datenschützer dem entgegenzuwirken, was sie derzeit erleben: „Lobbying in bisher nicht gekanntem Ausmaß“, im Bemühen, die derzeit in Begutachtung befindliche Verordnung für ein neues, einheitliches europäisches Datenschutzrecht „zu verzögern und zu verwässern“. So formulierte es zumindest der SPÖ-Europaparlamentarier Josef Weidenholzer, am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Datenschützer Andreas Krisch und dem Leiter der Studenteninitiative „Europe-v-Facebook“, Max Schrems.
„Recht auf Vergessenwerden“
Die Novelle des seit 1995 unveränderten EU-Datenschutzrechts soll im Wesentlichen höhere und vor allem einheitliche Standards für die gesamte Union bringen, strengere Strafen bei Datenschutzverletzungen und ein „Recht auf Vergessenwerden“, also der Löschung aller personenbezogenen Daten, die ein Unternehmen besitzt. Auch soll die Einwilligung zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrücklich der Zustimmung des Betroffenen bedürfen und jederzeit widerrufbar sein. Das von der EU-Kommission im Jänner des Vorjahres vorgelegte Datenschutzpaket liegt derzeit im EU-Parlament und soll bis Ende April in den zuständigen Ausschüssen abgestimmt werden.
„Es gibt vonseiten der Industrie heftige Versuche, den Entwurf abzuschwächen“
Welche Lobbyingbemühungen diesen Prozess begleiten, beschreibt Weidenholzer so: „Es gibt vonseiten der Industrie heftige Versuche, den Entwurf abzuschwächen – und einige Regierungen sind auch nicht sehr willig, den großen Wurf zu machen.“ Vor allem Irland, das derzeit den EU-Ratsvorsitz führt, stehe auf der Bremse. Schrems: „Die Stellungnahme der irischen Regierung ist eine 1:1-Ausgabe des Facebook-Papiers zum Datenschutzpaket.“ Die US-Regierung, ergänzt Krisch, Präsident der Initiative „European Digital Rights“ (EDRI), verschicke unverhohlene Forderungen, die bereits bestehenden Bestimmungen weiter abzuschwächen, „aber auf Papier ohne offiziellem Briefkopf, um es im Notfall abstreiten zu können.“ Und letztlich erweise sich auch Deutschland gegenwärtig als Bremser, meint Weidenholzer, „wenn Innenminister Hans-Peter Friedrich in einer perfiden Strategie versucht, mit dem Vorwurf der Regulierungswut auf EU-Ebene das bestehende hohe deutsche Datenschutzniveau zu drücken.“
„Dampf“
Diesem enormen „Dampf“ (Schrems), der gegenwärtig gegen einen verstärkten Datenschutz erzeugt werde, gilt es für Weidenholzer, öffentlichen und medialen Druck entgegenzusetzen – aus prinzipiellen Gründen eines Schutzes der Grund- und Freiheitsrechte, aber auch aus pragmatischen Gründen: „Ein weiteres Wachstum des digitalen Binnenmarktes setzt das Vertrauen der Bürger voraus.“ Auch für Krisch dokumentiert der mangelnde Datenschutz „nicht nur das Versagen der Politik, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die Institutionen.“
Recht des Stärkeren
Bis zur Abstimmung im EU-Parlament, die derzeit für Ende 2013 geplant ist, soll, so Weidenholzer, in Zusammenarbeit mit Datenschützern und unter Einsatz möglichst starken öffentlichen Druckes dem Druck der Datenschutz-Verwässerer Paroli geboten und möglichst weitere Verbesserungen des Pakets durchgebracht werden – wie eine Erhöhung der Strafen für Verletzungen des Datenschutzes auf bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens. So musste der Lebensmittelkonzern Lidl 2008 für die Bespitzelung seiner Mitarbeiter 1,5 Millionen Euro Strafe zahlen – bei Anwendung des 5 Prozent-Modells wären das rund 1,5 Milliarden Euro gewesen. Für Weidenholzer eine prinzipielle Frage: Wenn alle gesellschaftlichen Bereiche durch rechtliche Räume geregelt seien, „dann kann es nicht sein, dass es einen Raum gibt, in dem das Recht des Stärkeren gilt.“ (APA, 28.01. 2013)
Links:
http://www.edri.org
http://brusselsdeclaration.net/

Datenschutzenpaket: Household Exemption?

Die Kommission schlägt im Entwurf zur Datenschutz-Verordnung eine sogenannte  „Household Exemption“ vor. Datenverarbeitungen, „die durch natürliche Personen zu ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken ohne jede Gewinnerzielungsabsicht erfolgt“ (Artikel 2.d.) sollen nicht unter den Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung fallen. Unter die Household Exemption fallen zum Beispiel User von sozialen Netzwerkes, die Fotos von Familienmitgliedern oder Freunden posten (also „Datenanwendungen für persönlich-familiäre Zwecke“).  So weit so gut.

Wo liegt das Problem?

Die „totale Ausnahme“ – wie es die Kommission vorsieht – geht zu weit. Ein gänzliches „Herauskippen“ des privaten-familiären Bereich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung würde nämlich bedeuten, dass es für Datenverarbeitung im persönlich-familiären Bereich überhaupt keine gesetzlichen Datenschutzbestimmungen mehr gäbe und alles erlaubt wäre. Es besteht die Gefahr, dass – ohne die Zustimmung der Betroffenen einzuholen – personenbezogene Daten über andere publiziert oder an größere Gruppen weitergegeben werden können – ohne dass es hierfür eine Bestimmung gäbe, die das nicht erlaubt. Das würde insofern auch eine Verschlechterung zur jetzigen Situation bringen, da es sich um eine Verordnung handelt, die übergeordnet gilt. Zwar sieht die derzeit geltende RL 95/45/EG auch keine Bestimmungen für Datenanwendungen für persönlich-familiäre Zwecke, schließt aber auch nicht aus, dass es dafür Regelungen gibt. Dementsprechend findet sich im DSG 2000 die Bestimmung des § 45 DSG 2000, welche zwar für derartige Datenverwendungen auch keine Meldepflicht vorsieht, aber doch gewisse Grundregeln betreffend Datenschutz aufstellt (nach § 45 DSG 2000 dürfen natürlichen Personen Daten für ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeiten verarbeiten, wenn sie ihnen vom Betroffenen selbst mitgeteilt wurden oder ihnen sonst rechtmäßigerweise, insbesondere in Übereinstimmung mit § 7 Abs 2 zugekommen sind. Für andere Zwecke dürfen solche Daten nur mit Zustimmung des Betroffenen übermittelt werden“).

Was schlagen wir vor?

Da auch das in Art. 8 der Grundrechte-Charta verankerte Grundrecht auf Datenschutz keine „household exemption“ kennt, ist es wichtig für die Verwendung von Daten für diese Zwecke gewisse Grundregeln gesetzlichzu normieren. Für Privatpersonen, die Daten zu privaten und familiären Zwecken verarbeiten sollen klarerweise nicht dieselben strengen Datenschutzregeln gelten wie für Unternehmen, dennoch braucht es auch bei Datenverarbeitungen durch natürliche Personen zu ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken eine gesetzliche Normierung gewisser minimaler Grundregeln (wie Datenschutzgrundsätze und Verwendungsvoraussetzungen), die den Respekt vor dem Datenschutz anderer Personen respektieren. Eine Streichung der Einschränkung „ohne jede Gewinnerzielungsabsicht“ (wie dies der Berichterstatter MEP Albrecht in seinem Berichtsentwurf 2012/0011 (COD) als Amendement 79 vorschlägt) würde gekoppelt mit gewissen Mindeststandards bezüglich Datenschutz für Datenverwendungen im persönlich-familiären Lebensbereich durchaus Sinn machen.

Datenschutz hat Zukunft! Pressefrühstück in Wien

Anlässlich des Europäischen Datenschutztages nehmen am Montag, den 28. Jänner 2012 um 10.00 Uhr im Café Leopold, Museumsquartier, Museumsplatz 1, 1070 Wien SPÖ-EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer (Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres) und Datenschutzexperte Andreas Krisch (Präsident EDRi – European Digital Rights, Obmann VIBE!AT, unwatched.org) und Max Schrems (europe-v-facebook.org) zum Thema „Datenschutz hat Zukunft – Was bringt die neue EU-Datenschutzreform?“ Stellung.

Der Schutz der persönlichen Daten als Grundrecht in Europa? Was sind Hauptelemente der Datenschutzreform, wie ist der Stand auf europäischer Ebene? Was sind die Erwartungen an die irische Ratspräsidentschaft und 2013 als das Europäische Jahr der BürgerInnenrechte? Wie zeigt sich Lobby seitens der Industrie und wie ist die Rolle der Zivilgesellschaft. VertreterInnen der Medien sind herzlich eingeladen.
Links zur EU-Datenschutzreform:
Verlauf & Players VO: http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2012/0011(COD)&l=en
Verlauf & Players RL: http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2012/0010(COD)&l=enAlle Berichte/Amendments/WorkingDocs, etc.. hier – in den Sitzungsunterlagen zum Ausschuss: http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/organes/libe/libe_20130121_1500.htm
Kommissionsseite zur Reform: https://ec.europa.eu/newsroom/just/news.cfm?tpa_id=2026
The Brusselsdeclaration on data protection: http://brusselsdeclaration.net/
EU-Datenschutzpaket auf Twitter: #EUdateP

Abstimmung über die Konzessionsvergabe

Heute wurde im federführenden Binnenmarktausschuss über die Konzessionsrichtlinie abgestimmt. Jetzt liegt es am Plenum des Parlaments darüber zu entscheiden.
Die Abgeordneten im Binnenmarktausschuss stimmten heute, dem 24. Jänner über den Kommissionsvorschlag zur Konzessionsvergabe ab. Mit zehn Gegenstimmen, zwei Enthaltungen und 28 Pro-Stimmen wurde eine von den Abgeordneten abgeänderte Textfassung beschlossen. Diese soll Mitte März vom Plenum des Europäischen Parlaments bestätigt werden. Von verschiedenen Seiten wird nun gefordert, das Plenum abstimmen zu lassen bevor es überhaupt Verhandlungen über die Richtlinie mit Kommission und Rat gibt: „Jetzt liegt es am Plenum des Parlaments, die Konzessionsrichtlinie zu verhindern“, stellt Josef Weidenholzer fest. Sein Antrag auf generelle Ablehnung des Kommissionsvorschlags wurde vom Binnenmarktausschuss abgelehnt.
Keine Ausnahme des Wassers
Änderungen an der Originalfassung nahm der parlamentarische Ausschuss beispielsweise beim Anwendungsbereich vor: Rettungsdienste werden explizit von einer Ausschreibungspflicht ausgenommen. Auch der Schwellenwert, ab welcher Auftragshöhe eine Ausschreibung erfolgen muss konnte von fünf auch acht Millionen Euro erhöht werden. Alle Abänderungsanträge, die eine klare Ausnahme des Wassersektors forderten, fanden keine Mehrheit. Kommission, Parlament und Rat müssen sich nun im Rahmen eines „Trilogs“ auf eine gemeinsame Endfassung der Richtlinie einigen. Das Plenum des Europäischen Parlaments könnte die Richtlinie als Gesamtes noch ablehnen. Eine Ablehnung ist aufgrund der konservativen Mehrheit im Plenum allerdings unwahrscheinlich.
Hauptkritikpunkte an der Konzessionsrichtlinie
Der wichtigste Kritikpunkt betrifft den Anwendungsbereich der Richtlinie. Zahlreiche Leistungen der Daseinsvorsorge, wie beispielsweise die Wasserwirtschaft oder die Abfallbeseitigung fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie und würden somit ausschreibungspflichtig werden. Explizit ausgenommen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie sind lediglich Konzessionen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, öffentliche Personenverkehrsdienste oder bestimmte Leistungen für Rundfunk- und Fernsehanstalten. Für soziale Dienstleistungen ist im Entwurf ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen, langfristig könnte es aber auch für soziale Dienstleistungen zu einer Ausschreibungspflicht kommen. Leistungen der Daseinsvorsorge, vor allem die Wasserversorgung und soziale Dienstleistungen müssen unbedingt vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. Die Richtlinie in der jetzigen Form würde zu einer Privatisierung sensibler Bereiche durch die Hintertür führen.
Darüber hinaus würde der komplizierte Richtlinienentwurf zu mehr Rechtsunsicherheit, Verwaltungsaufwand und Beratungskosten für öffentliche Stellen führen. Die Konzessionsvergaben werden zudem nicht verbindlich an soziale, arbeitsrechtliche oder ökologische Zuschlagskriterien gebunden. Die öffentliche Auftrags- und Konzessionsvergabe stellt einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar und sollte daher soziale und beschäftigungspolitische Kriterien berücksichtigen, wie Frauenförderung oder die Integration benachteiligter Gruppen am Arbeitsmarkt. Laut dem Richtlinienvorschlag müssen diese Dinge allerdings nicht verbindlich als Zuschlagskriterien herangezogen werden.
Öffentliche Kooperationen werden erschwert…
Es stimmt, dass die Richtlinie zu keiner automatischen Privatisierungspflicht für öffentliche Dienstleistungen führt. Fakt ist aber, dass Dienstleistungskonzessionen häufig im Bereich der Daseinsvorsorge (Wasser, Abfall, Energie, Gesundheitswesen etc.) an öffentliche Unternehmen vergeben werden. Solche Vergaben an öffentlich kontrollierte Unternehmen, als auch andere Formen der öffentlich-öffentlichen Kooperation würden durch die Richtlinie massiv erschwert werden. Als Konsequenz einer Konzessionsrichtlinie müssten Gemeinden und Städte europaweit ausschreiben – zum Vorteil privater Konzerne, aber zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger. Von einer Wahlfreiheit für Kommunen kann hier keine Rede sein.